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Demonstranten nahe der Tesla-Fabrik in Grünheide hielten am vergangenen Samstag Schilder mit Aufschriften wie „Elon stinkt“.

© REUTERS/Christian Mang

Radikale Tesla-Gegner in Brandenburg: Manche Demonstranten haben einen Vogel – wie Elon Musk

Haben Demonstranten in Grünheide ihrer Wut auf den US-Autobauer Tesla Brutnester zerstört und Amphibienzäune zertrampelt? Die Debatte um Tesla ist geprägt von Kampf-Rhetorik auf beiden Seiten.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Der Tipp kam von einem, der sich hauptberuflich mit dem vorgeschriebenem Artenschutz rund um Teslas Gigafactory in Grünheide beschäftigt: Demonstranten hätten am Wochenende bei ihrer Aktion diverse Vogel-Brutnester zerstört und Amphibienzäune niedergetrampelt. Wie viele, wo genau, wie hoch der Schaden ist? Blieb zunächst offen. Dafür lieferte der Informant seine Interpretation der Ereignisse gratis mit. Er habe den Eindruck, „die interessieren sich in Wirklichkeit gar nicht für Umweltschutz, denen geht es nur um Kapitalismuskritik“.

Dieser Eindruck mag stimmen, aber es geht längst nicht mehr um Fakten, Argumente, Rede und Gegenrede. Eine lokalpolitisch notwendige und legitime Debatte um Größe, Funktion und Nebenwirkungen der gigantisch großen Industrieanlage am östlichen Berliner Stadtrand wurde gekapert von Ideologen beider Seiten. Das kann nicht im Interesse der Menschen in Berlin und Brandenburg sein, die von und mit dieser Ansiedlung leben und arbeiten.

Parolen wie „Saubere Autos sind eine dreckige Lüge!“ klingen nur im ersten Eindruck originell, griffig und pfiffig. Tatsächlich taugen sie nicht für eine sachliche Auseinandersetzung. Wer hat behauptet, E-Autos seien die einzig wahre Lösung für den Klimaschutz?

Aggressive Slogans zu rufen, ist legitim, es sind freie Meinungsäußerungen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass derart scheinkluge Sätze erlebnisorientierten Tesla-Gegnern dienen, ihre Gewalt gegen Dinge und Menschen zu legitimieren.

Kein Protest in Sindelfingen?

Ginge es den rund 1500 Personen, die sich am Wochenende ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei lieferten, vorwiegend um Klima- und Umweltschutz, den schonenden Umgang mit der Ressource Wasser, müssten sie ihre Zelte näher an ihren Heimatstädten aufschlagen – also bei Wolfsburg, Ingolstadt oder Sindelfingen, wo Deutschlands etablierte Fahrzeughersteller ihre Verbrenner produzieren.

Vergangenes Wochenende haben rund 1500 Personen gegen das Tesla-Werk in Grünheide demonstriert.

© REUTERS/Christian Mang

Das ist ihnen aber offenbar zu langweilig, sie müssten dort zudem mit deutlich mehr Widerstand der jeweils lokalen Bevölkerung rechnen, die seit Jahrzehnten von und mit ihren Autofabriken leben. Im brandenburgischen Grünheide muss diese gute Nachbarschaft erst noch ausverhandelt werden. Die dafür vorgesehen politischen Foren, Grünheides Gemeindevertretung und der Landtag in Potsdam werden von Demonstrierenden arrogant ignoriert.

Das Unternehmen Tesla und ihr Gründer, der schillernde Multimilliardär Elon Musk, machen es ihnen zu leicht mit kämpferischen Statements. Es war schon vor Bau von Teslas „Gigafactory“ absehbar, dass dieses Werk Projektionsfläche werden könnte für Musks gesamtes Sündenregister: Fans feiern ihn als genialen Entrepreneur, der die Welt zum Guten verändert, mit Elektroautos, Solaranlagen, Bezahlsystemen, Weltraumraketen und Kommunikationssatelliten.

Aber seine Kritiker sehen in Twitter-Käufer Musk nicht den Garanten für die globale Meinungsfreiheit, sondern den Schöpfer von X, einer Plattform für Hassrede. Musk reproduziert soziale Ungleichheiten und könnte sogar die US-Wahl – und damit die Geschicke der Welt – maßgeblich beeinflussen, sollte er dem radikalen Republikaner Donald Trump aus der finanziellen Klemme helfen, wie spekuliert wird.

Elon Musk hat wohl einen Vogel. Man darf und muss seine Irrgänge kritisieren, seine Macht einhegen. Wer aber irrwitzige Argumente konstruiert und Gewalt ausübt gegen sein Autowerk, Polizistinnen und Polizisten, die es schützen müssen, verletzt, muss sich selbst nach seinem gesunden Menschenverstand fragen lassen.

Es wird Zeit, dass die Bevölkerung und die 12.000 Mitarbeitenden die Kontrolle gewinnen über die Debatte zur Zukunft ihrer Autofabrik.

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