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Shakespeares „Der Sturm“ im Charlottenburger Freilufttheater, mit Luftgeist Ariel (Wiebke Acton) und Zauberer und entthronter Herzog Prospero (Anselm Lipgens).

© Jens Kalaene/dpa

Open-Air-Theater des Globe Ensembles Berlin: Darum tobt Shakespeares „Sturm“ jetzt über eine Charlottenburger Bretterbühne

In Charlottenburg soll 2021 ein neues „Globe Theater“ für Shakespeare-Aufführungen eröffnen. Als Vorgeschmack wird „Der Sturm“ unter freiem Himmel gespielt.

Wo sind denn hier die Kulissen? Das Globe Ensemble Berlin verzichtet in seiner kleinen Freilichtbühne an der Charlottenburger Sömmeringstraße darauf. In der neuen Inszenierung von William Shakespeares „Der Sturm“, deren Premiere am Donnerstagabend bevorsteht, agieren die Schauspieler auf einer ringförmigen Holzkonstruktion ohne Dekorationen, mit dem Publikum in der Mitte.

Und die Bretter sind eigentlich Bauteile. Sie gehören zum 14 Meter hohen Globe Theater, das Christian Leonard im Juni 2021 an derselben Stelle eröffnen will.

Eigentlich sollte es schon in diesem Jahr in dem geplanten runden Bühnenhaus mit 660 Sitzen losgehen. Dessen Vorbild ist das alte Londoner „Globe Theatre“, in dem Shakespeares Werke vor mehr als 400 Jahren zu sehen waren. Ein Nachbau aus Holz und Stahl stand in Schwäbisch Hall, bis er im Herbst 2016 einem neuen Theater weichen musste.

Christian Leonard, der 1999 die Shakespeare Company Berlin gegründet hatte, ergriff die Chance. Für den symbolischen Preis von einem Euro erwarb er die ausgediente Bühne und ließ sie zerlegt nach Berlin transportieren, um sie auf der Mierendorff-Insel an der Spree wieder aufzubauen.

Zusammen mit Freunden und Förderern investierte Leonard bisher etwa eine Viertelmillion Euro. Die Berliner Lottostiftung will das Projekt mit rund eine Million Euro fördern.

Noch muss das Abgeordnetenhaus grünes Licht für den Bau geben

Charlottenburg-Wilmersdorf und der Senat haben der Umwidmung des Geländes zugestimmt, das zuvor ein Lagerplatz des Sportamts war. Jetzt muss noch das Abgeordnetenhaus grünes Licht geben. Erst danach kann Leonard den Bauantrag stellen.

Also tritt das Ensemble erst einmal unter freiem Himmel auf. Im vorigen Jahr zeigte es unter anderem „Romeo und Julia“. In der zweiten Open-Air-Spielzeit unter dem Motto „Hoffnung & Heimat“ wird „Der Sturm“ jetzt 15 Mal aufgeführt.

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Die fehlenden Kulissen seien keine Folge der provisorischen Spielstätte, sondern eine künstlerische Entscheidung, erklärt Leonard, der das Stück neu übersetzt hat und die vom Regisseur Jens Schmidl geführte Inszenierung als Produzent mitgestaltet.

Kulissen gab es auch früher in London nicht

Um schnelle Szenenwechsel zu ermöglichen, habe schon das originale Globe Theater in der Regel keine Bühnenbilder aufgebaut. Vielmehr hätten die Schauspieler damals beispielsweise einfach „Wir sind im Wald!“ gerufen – und mit ihrer Darstellungskunst dafür gesorgt, dass sich das Publikum dorthin versetzt fühlte.

So etwas gelingt auch in Charlottenburg ganz gut, obwohl die Nachbarschaft zu Sportplätzen die Illusion gelegentlich erschwert. Zum Beispiel passierte es bei „Romeo und Julia“, dass während der dramatischen Szene, in der Julia den Dolch gegen sich richtet, plötzlich Torjubel von einem Fußballfeld herüberschallte.

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Er habe keinen Moment lang daran gedacht, gegen den abendlichen Lärm der Sportler zu protestieren, betont Leonard. Aber das wäre ja ähnlich, als wenn jemand dem Theaterpublikum „den Beifall verbieten“ würde. Die akustischen Probleme dürften sich erledigen, wenn das Globe Theater stehe, sagt Leonard.

Es wird zunächst aber nicht überdacht sein. „Eines Tages“ möchte Leonard das ändern, falls genügend Geld zur Verfügung steht. Für den ganzjährigen Spielbetrieb soll zunächst ein Nebengebäude entstehen.

100 Gartenstühle für Zuschauer - wegen Corona

Wegen der Abstandsregeln in der Coronakrise reicht der Platz derzeit nur für rund 100 Zuschauer, die einzeln auf Gartenstühlen sitzen. Das Ensemble ist froh, dass es überhaupt auftreten kann. „Wir haben monatelang geprobt, ohne zu wissen, ob das zustande kommt“, sagt der Theatergründer. Finanziell sei es allerdings schwierig, der Spielbetrieb laufe bislang „ohne einen Cent Subvention“.

Die Schauspieler stammen nicht mehr aus der Shakespeare Company Berlin, die im Naturpark Schöneberger Südgelände geblieben ist. Leonards Umzugspläne hatten zum Zerwürfnis geführt. In „Der Sturm“ übernimmt der Regisseur und Schauspieler Anselm Lipgens die Hauptrolle des Prospero.

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Dieser, früherer Herzog von Mailand und zugleich Magier, wurde durch eine Intrige des Bruders zusammen mit seiner Tochter verbannt. Mit Hilfe eines Geistes löst er den Sturm aus, der seine Feinde auf eine von ihm beherrschte Insel verschlägt. Prospero rächt sich, vergibt aber seinen Widersachern am Ende.

Der brutale Machtkampf wirkt zeitlos

Die Zauber-Komödie handele von „Machtgier, Manipulation und Regierungsverantwortung“ und sei „von erstaunlicher Aktualität“, findet das Ensemble. Wie zeitlos die Themen sind, soll die Kleidung der Schauspieler verdeutlichen. Dazu gehören Teile historischer Kostüme, aber auch orangefarbene Shorts, bunt gemusterte Hemden oder auch schon mal eine schwarze Unterhose.

An der Sömmeringstraße gibt es außerdem Gastspiele der Improvisationsgruppe „Theatersport Berlin“ sowie Konzerte der Jazzband „The Swingin’ Hermlins“, des Barockensembles „lautten compagney“ und des Zwei-Personen-Orchesters „kleineReise“. Zusätzlich präsentiert der Fotograf Thorsten Wulff eine Ausstellung mit Szenenbildern aus „Der Sturm“ und Blicken hinter die Kulissen.

Die Premiere ist ausverkauft. Weitere Termine gibt es bis zum 15. August und vom 12. bis 14. September, jeweils donnerstags bis samstags um 19.30 Uhr. Tickets kosten 18, ermäßigt 15 Euro (www.globe.berlin).

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