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Viele Seniorenheime in Berlin arbeiten beschwerdefrei

© dpa/Marijan Murat

Nach Notruf in Pflegeheim: 15 von 266 vollstationären Einrichtungen in Berlin sind „beschwerdelastig“

Sehr viele Seniorenheime in Berlin arbeiten beschwerdefrei. Im Gesundheitsausschuss geht es aber auch um Gegenbeispiele – zum Beispiel in Friedrichsfelde.

Der Personalmangel in der vollstationären Pflege ist ein generelles und strukturelles Problem. Vor diesem Hintergrund ist die Situation in Berlin jedoch zumindest nicht besonders dramatisch.

Nur 15 der 266 vollstationären Einrichtungen der Hauptstadt sind im Jahr 2023 bei der Heimaufsicht des Landes Berlin mit „erhöhtem Beschwerdeaufkommen“ registriert worden.

Das erklärte am Montag Bettina Jacobs, die Leiterin der Heimaufsicht, in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses des Abgeordnetenhauses. Zu jenen Einrichtungen, die negativ aufgefallen sind, gehört auch das Seniorenheim der Domicil-Gruppe in Friedrichsfelde. „Wir hatten dort im vergangenen Jahr sieben Beschwerden, das ist schon eine relativ große Größenordnung“, sagte Bettina Jonas.

Anonyme Beschwerden von Ex-Mitarbeitern

Es waren zwar anonyme Beschwerden, aber der Inhalt von fünf Nachrichten ließe darauf schließen, dass sie von aktuellen oder früheren Mitarbeitern gekommen seien.

Das Heim in Friedrichsfelde sorgte für Schlagzeilen, weil eine Mitarbeiterin in der Nacht zum 16. April in ihrer Not die Polizei um Hilfe rufen musste. Sie hatte festgestellt, dass für die nachfolgende Nachtschicht keine Pflegefachkraft eingeteilt worden war. Da sie weder den Heimleiter noch über das Notfalltelefon eine andere Person erreicht hatte, rief sie die Polizei. Später kam der Heimleiter in seine Einrichtung.

Notruf Folge von „Verkettung unglücklicher Umstände“

Grund für die folgenreiche Panne war nach Angaben von Bettina Jonas „eine Verkettung unglücklicher Umstände“, auch aufgrund eines EDV-Problems. „Es war nachweislich ein Einzelfall.“ Sie erklärte auch, dass Domicil „kein generelles Problem hat“. Es gebe Häuser des Trägers, die beanstandungsfrei seien, andere hingegen seien beschwerdelastig.

 Es war nachweislich ein Einzelfall.

Bettina Jonas, Leiterin der Heimaufsicht, zu dem Notruf in einem Seniorenheim in Friedrichsfelde

Im vergangenen Jahr habe es 374 Beschwerden zum vollstationären Bereich gegeben, sagte Bettina Jonas. „Davon waren 160 berechtigt.“ Ein Hauptgrund für die Beschwerden war der Einsatz von Leasingkräften. „Das ist ein Problem“, sagt Marcel Silbernagel vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK).

Hoher Einsatz von Leasingkräften führt zu Problemen

Der MDK ist vor allem für die Prüfung der Pflegequalität zuständig. „Leasingkräfte kennen die Gegebenheiten vor Ort nicht richtig“, sagte Silbernagel. Außerdem fördere ihr häufiger Einsatz nicht das Betriebsklima. Es gibt aber auch genügend Pflegeheime, das sagten sowohl Bettina Jonas als auch Marcel Silbernagel, die genügend Stammpersonal hätten und keine Leasingkräfte beschäftigten.

Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) sagte, die hohe Quote von Leasingkräften sehe sie „kritisch“. Deshalb habe sich Berlin einer Bundesratsinitiative angeschlossen, die sich mit einer Lösung dieses Problems befasse. „Die strukturellen Probleme in der Pflege sind nur von der Politik zu klären“, sagte auch Bettina Jonas.

Die Heimaufsicht hatte im vergangenen Jahr 22 Mal Bußgelder wegen Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben verhängt. „Mehrfach gab es auch Aufnahmestopps“, sagte Bettina Jonas. Ein Problem ist aber auch der häufige Wechsel von Heimleitern.

90 Prozent der Heime sind 2023 geprüft worden

90 Prozent der Heime sind im vergangenen Jahr geprüft worden. Während der Coronazeit war die Zahl niedriger, aber das war den Einschränkungen durch die Covid-Regeln geschuldet. In diesem Jahr gab es bereits mehr als 100 Prüfungen.

Wenn der MDK in den Heimen die Pflegequalität prüft, redet er jeweils mit neun zufällig ausgewählten Bewohnern und informiert sich umfassend über die Bewertung der Pflege und der Fürsorge. Gespräche mit weiteren Beteiligten, auch Pflegepersonal, kommt dazu. „Wir sind aber vor allem auch dazu da, zu beraten“, sagte Marcel Silbernagel. Stelle der MDK aber einen Mangel fest, dann werde anlassbezogen tiefergehend geprüft.

Beim Seniorenheim in Friedrichsfelde gibt es aber offenbar auch gute Nachrichten. Die Heimleitung hat gewechselt, der neue Chef sei sehr erfahren, sagte Bettina Jonas. „Er hat alle unsere Forderungen umgesetzt oder mitgeteilt, dass es passieren werde.“

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