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Der neue starke Mann in der Jüdischen Gemeinde heißt Gideon Joffe. Bereits von 2005 bis 2008 war er deren Vorsitzender.

© dapd/Maja Hitij

Wahl wiederholt: Neue Machtverteilung in der Jüdischen Gemeinde

Die Jüdische Gemeinde hat mitten in der eigenen Finanzkrise ihr Parlament gewählt. Der Sieger heißt Gideon Joffe - ein Gegner der bisherigen Pläne zum Schuldenabbau. Wegen Unregelmäßigkeiten im Dezemeber wurde die Abstimmung jetzt wiederholt.

Der neue Mann an der Spitze der Jüdischen Gemeinde wird vermutlich ein alter Bekannter sein: Gideon Joffe. Der 39-Jährige war bereits von November 2005 bis März 2008 Gemeindevorsitzender. Danach führte er vorübergehend die Geschäfte der insolventen Treberhilfe.

Bei der Wiederholungswahl zum Parlament der Jüdischen Gemeinde hat Joffes Wahlbündnis „Koach“ (Stärke) am Sonntag 14 der 21 Sitze gewonnen. Joffe selbst erhielt 1276 Stimmen – deutlich mehr als jeder andere der 62 Kandidaten. Die Wahl vom 4. Dezember wurde wiederholt, weil Unregelmäßigkeiten aufgetreten waren. Im Februar wählt das neue Parlament den Vorstand und dieser aus seinen Reihen den Gemeindevorsitzenden.

Das Wahlbündnis „Verantwortung jetzt“ mit der Spitzenkandidatin Mirjam Marcus belegt nur einen Sitz im neuen Parlament. Mirjam Marcus war bisher stellvertretende Gemeindevorsitzende, ihre Gruppierung war für die Fortsetzung des Konsolidierungskurses der vergangenen vier Jahre angetreten. Das Wahlergebnis zeigt, dass zumindest die 27 Prozent der etwas über 9000 wahlberechtigten Gemeindemitglieder, die am Sonntag abgestimmt haben, diesen Kurs deutlich ablehnen. Lala Süsskind, die bisherige Gemeindevorsitzende, die Joffe Ende 2008 beerbt hatte, und der bisherige Finanzvorstand Jochen Palenker waren aus persönlichen Gründen nicht mehr angetreten.

Gideon Joffe hinterließ 2007 ein Defizit von 2,5 Millionen Euro. Süsskind und ihrem Team ist es gelungen, das Defizit auf 800 000 Euro zu reduzieren. Allerdings ist die Gemeinde nach wie vor mit elf Millionen Euro überschuldet. Grund sind überhöhte Betriebsrenten, die 430 jetzigen und früheren Angestellten bis 2008 zugesichert wurden. Wegen der überhöhten Rentenzahlungen fordert der Senat 9,3 Millionen Euro von der Gemeinde zurück.

Bei der Sitzung des bisherigen Gemeindeparlaments Mitte Dezember hatte Kulturstaatssekretär André Schmitz den Parlamentariern die Dramatik der Situation zu erklären versucht und dafür geworben, einem Sanierungskonzept zuzustimmen, das Süsskind und ihr Team über Monate hinweg mit dem Senat geschnürt hatten. Es ist die Voraussetzung dafür, dass der Senat der Gemeinde einen Teil der Schulden erlässt. Doch die Mehrheit stimmte dagegen. Einer der Repräsentanten, die auf dieser und anderen Sitzungen zuvor immer wieder Stimmung gegen den Sanierungsplan gemacht hatten, war Gideon Joffe. Seinen Wählern versprach er, mit der „Philosophie des Abbaus“ Schluss zu machen. Wie er die Überschuldung abwenden will, ist nicht bekannt.

Wenn die Betriebsrenten nicht gekürzt werden, wird die Gemeinde sehr bald ihre Einnahmen nicht mehr für religiöse und kulturelle Zwecke ausgeben können, sondern nur noch für die wachsenden Pensionsleistungen, wie Wirtschaftsprüfer errechnet haben. Das hat André Schmitz vergangene Woche noch einmal in der „Jüdischen Allgemeinen“ deutlich gemacht – und angefügt: „Offenbar ist einigen Repräsentanten der Ernst der Lage nicht bewusst“. Wenn der Senat auf Millionen verzichten soll, müssen auch der Finanzsenator und das Abgeordnetenhaus zustimmen.

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