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Palast der Republik: Stück für Stück

In nur 15 Monaten soll von der einst als "sozialistischer Schandfleck" beschimpften DDR-Volkskammer nichts mehr zu sehen sein. Der aus Fertigteilen errichtete Palast soll in seine Einzelteile zerlegt und bis auf das Stahlskelett ausgeweidet werden.

Berlin - Jahrelang hat der Palast der Republik in Berlin die Emotionen in Wallung gebracht. Einen «sozialistischen Schandfleck» schimpften seine Gegner den früheren Sitz der DDR-Volkskammer, der aus Berlins Mitte getilgt werden müsse. Anhänger der politischen Linken und der Kulturszene kämpften hingegen für den Erhalt des Gebäudes und reichten sogar bei Bundespräsident Horst Köhler ein symbolisches «Gnadengesuch» ein. Jetzt, nach dem endgültigen Abrissbeschluss des Bundestags, ist in der umzäunten Bauruine kein Platz mehr für Gefühle. «Wir haben eine Aufgabe, und die werden wir lösen», sagt Chefingenieur Hartmut Kalleja inmitten der riesigen Stahlträger im bereits vor Jahren entkernten Palast.

Der 50-jährige Berliner hat als Projektleiter die Pläne für die Beseitigung des asbestsanierten Gebäudes mit der rotbraunen Glasfassade ausgearbeitet. In nur 15 Monaten werde von dem 180 Meter breiten und 32 Meter hohen Koloss nichts mehr zu sehen sein, sagt Kalleja. Seit Mitte Januar sind Bautrupps rund um das Gebäude beschäftigt, das vor gut 15 Jahren offiziell geschlossen und seitdem provisorisch für Kulturveranstaltungen genutzt wurde. Bauzäune und Wohncontainer stehen bereits, im Februar soll der erste von acht Kränen errichtet werden. Auch eine Besuchertribüne und Schautafeln sind geplant.

Schwere Bagger, Abrissbirnen oder gar Sprengungen werden die Schaulustigen aber nicht zu sehen bekommen. Denn die denkmalgeschützten Gebäude in der Umgebung wie etwa der Berliner Dom sollen nicht zu Schaden kommen. «Daher mussten wir ein erschütterungsarmes Rückbaukonzept wählen», erklärt Kalleja. In den Worten des Ingenieurs: «Die Zielstellung ist es, einen geordneten, krangeführten Rückbau vorzunehmen.» Der aus Fertigteilen errichtete Palast soll Stück für Stück zerlegt und bis auf das Stahlskelett ausgeweidet werden.

Zuerst wird der Palast sein typisches Außenkleid verlieren: Von Februar an entfernen Arbeiter die rotbraunen, verspiegelten Glasscheiben. Die Arbeiten beginnen mit einem Baugerüst an der Spreeseite und «wandern» dann um das Gebäude herum. «In vier bis sechs Wochen sind erste sichtbare Fortschritte des Rückbaus zu sehen», sagt Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD). Anfang Mai soll nur noch der Rohbau zu sehen sein.

Bei dem Abriss müssen die Bauunternehmen gewaltige Massen bewegen: Rund 55 000 Tonnen Beton, 20 500 Tonnen Stahl und 300 Tonnen Glas würden abtransportiert, rechnet Kalleja vor - vier Fünftel auf Schiffen, die auf der Spree bis an die Rückseite des Palasts fahren können. Der Verkauf des Stahls soll zur Finanzierung des mit 12 Millionen Euro veranschlagten Abbruchs beitragen. «Der Beton wird auch recycelt und geht in den Autobahnbau», sagt Kalleja. Das Glas lande voraussichtlich auf Deponien. Ein Handel mit Devotionalien des Palasts ist nach Angaben der Senatsverwaltung bisher nicht geplant.

Allein das Fundament des vor 30 Jahren errichteten Gebäudes bleibt aus Kostengründen unversehrt an Ort und Stelle: Die gegen Grundwasser abgedichtete Wanne mit den Kellerräumen soll mit rund 200 000 Tonnen Sand und Wasser gefüllt werden und dann unter einer Grünfläche verschwinden. «Die Wanne könnte später auch wiederverwendet werden», sagt Kalleja. «Der Beton ist sehr hochwertig.» (Von Jörn Poltz, dpa)

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