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Am Donnerstag im Abgeordnetenhaus: der Regierende Bürgermeister Michael Müller.

© dpa

Der Start des Regierenden Bürgermeisters: Vorsicht, Stöckchen

Er will eine Politik der kleinen Schritte machen - und damit Großes schaffen. Doch viel Zeit hat Michael Müller nicht - 2016 wird schon wieder gewählt. Und der Koalitionspartner CDU könnte ihm auch noch manche Schwierigkeiten bereiten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ulrich Zawatka-Gerlach

Speedy Gonzales war so einer, der mit rasend schnellen Trippelschritten ordentlich Raum gewann, obwohl die schnellste Maus von Mexiko nicht die längsten Beine hatte. Nun mag es despektierlich klingen, den possierlichen Trickfilmhelden aus Hollywood mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin zu vergleichen. Aber das muss sich Michael Müller gefallen lassen, wenn er in seiner ersten Regierungserklärung vor dem Landesparlament eine Politik der kleinen Schritte ankündigt, die trotzdem Großes schaffen will. Viel Zeit dafür hat er nicht, Müller wird schnell sein müssen, schon 2016 wird in Berlin gewählt.

Seine Strategie ist insofern plausibel, als der neue Regierungschef gar nicht anders könnte, selbst wenn er wollte. Müller hat nun mal kein Talent für Visionen, ausholende Gesten und rhetorische Akrobatik. Er wird niemals große Sprünge machen, weil er Berlin aus dem Kiez heraus versteht – und da verbirgt sich das Große und Ganze hinter vielen Häuserecken. In Zukunft wird der rot-schwarze Senat regelmäßig in den Bezirken tagen und der Regierende Bürgermeister will sich Zeit nehmen für viele Bürgersprechstunden, um von den Berlinern selbst zu hören, was sie bedrückt.

Das ist nicht verkehrt. Vertrauen schaffen, bodenständig sein, dem Volk aufs Maul schauen. Das sind die Signale, die von Müllers Rede ausgehen. Gut regieren, ernsthaft arbeiten an den tausend Problemen einer Metropole, die zwar wirtschaftlich im Aufwind ist und stetig wächst, aber seit vielen Jahren von der eigenen Substanz lebt und als hoch verschuldeter Stadtstaat ohne die Finanzhilfen des Bundes und der Länder nicht existenzfähig wäre. Die sozialen Konflikte nehmen zu, der Wohnraum wird knapp und teuer. Nicht nur einkommensstarke Akademiker strömen in die Stadt, sondern auch Flüchtlinge und klamme Kreative. Ein Flughafen fehlt, aber auch öffentliches Personal, damit der Dienst am Bürger halbwegs funktioniert.

Da hat Müller gut zu tun, und er weiß, dass er nur ein Jahr Zeit hat, um Erfolge zu erzielen. Dann fängt der Wahlkampf an. Für ehrliche Worte und offene Ohren sind die Berliner zwar empfänglich, viele mögen deshalb den neuen Regierungschef. Aber wenn es nicht vorangehen sollte, wenn sich zwischen Köpenick und Spandau tiefe Enttäuschung breitmacht, werden auch die Bürgersprechstunden nicht helfen. Und Müllers Bekenntnis zu den kleinen Veränderungen, die große Auswirkungen auf die Menschen haben, wird sich gegen ihn wenden. Dann wird er den Vorwurf des Klein-Kleins, den er jetzt als diffamierend empfindet, nicht mehr abwehren können.

Denn auch eine Politik der kleinen Schritte muss sich daran messen lassen, dass sie Erfolge bringt. Eklige Schultoiletten, die bald mit einem Sonderprogramm saniert werden sollen, sind längst nicht mehr das Hauptproblem der vielen baulich maroden Schulen in Berlin. Auch wird das öffentliche Förderprogramm für tausend neue Wohnungen den Anstieg der Mieten nicht dämpfen und wenn der Senat die Bürger- und Planungsämter, Polizei und Feuerwehr nur mit ein paar Dutzend zusätzlichen Stellen verstärkt, wird das nicht weiterhelfen.

Am Anfang stand das Wort. Am Ende steht die Tat. Von der Müller’schen Ankündigung, dass sich das angeblich schon starke Berlin solidarisch weiterentwickeln müsse, können sich die Bürger erst einmal nichts kaufen. Sie können es glauben – oder abwarten, ob der rot-schwarze Senat noch die Kraft und den guten Willen aufbringt, die wenig rosigen Lebensumstände vieler Berliner in absehbarer Zeit spürbar zu verbessern. Müller muss damit rechnen, dass ihm nicht nur Grüne, Linke und Piraten, sondern auch der Koalitionspartner CDU mit Blick auf die nächsten Wahlen das eine und andere Stöckchen zwischen die Beine werfen wird. Im Trippelschritt ist das nicht weniger gefährlich.

Vielleicht schafft er es trotzdem, ein Stück voranzukommen. Und wenn nicht? Müller wird es als bösartige Unterstellung zurückweisen, dass es letztlich egal ist, was er noch auf die Beine bringt, weil er nach der Wahl im Herbst 2016 mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Rot-Rot-Grün weiterregieren kann.

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