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Medien: Berben darf nicht sterben

„Afrika, mon amour“: Auch das ZDF-Melodram malt den schwarzen Kontinent weiß an

Von Caroline Fetscher

Ihren Mann, das Scheusal, hat sie verlassen. Ihrem Schicksal, Afrika, wirft sie sich umso kühner in die Arme. Weiß, weiblich, adlig und aufrecht stapft Iris Berben als die Katharina von Strahlberg des Zweiten Deutschen Fernsehens zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts durch Deutsch-Südost, ob im Krieg oder im Frieden auf der Suche nach sich selbst. Begleitet wurde sie dabei – von Berlin in den Busch – in Folge eins wie zwei von mehr als achteinhalb Millionen deutschen Zuschauern, die sich das Fernsehdrama „Afrika, mon amour“ zu Gemüte führten. Heute Abend, mit Folge drei und Schluss, sollen sich in der Filmhandlung die verbleibenden Rätsel auflösen. Afrika aber bleibt eins. So sehr, dass man sich fragt, warum eigentlich das Genre der Kolonialkomödie für diesen Kontinent noch nicht erfunden wurde, wo es sich doch – weitaus eher, als im Fall Hitler-Schneider – zur Bearbeitung dieses prekären, mentalen Ambientes anbieten würde.

Nein, eine Komödie tacuht noch nicht auf am Horizont der Savanne oder über dem Kronendach des Dschungels. Vielmehr obsiegt in Bild und Schrift das gute, alte Afrika der Stereotypen, am liebsten als Melodram. Nina Hoss gab die „Weiße Massai“, „Afrika, wohin mein Herz mich trägt“, erklärte Sophie Schütt, Jutta Speidel suchte unlängst am Kap der guten Hoffnung ihren „Traum von Afrika“, und Ende Januar wird Christine Neubauer im ZDF-Doku-Drama „Momella – Eine Farm in Afrika“ eine schlesische Durchhalterin geben. Schier unentwegt schleppen sich Frauen und Männer aus Europa und Amerika von Set zu Set, angefangen mit der herben Katharine Hepburn auf der „African Queen“ neben Humphrey Bogart, mit der bezaubernden Meryl Streep auf der abendlichen Farmterrasse neben Robert Redford, dann mit der regenwaldbewegten Sigourney Weaver, ein Gorillababy auf dem Schoß, oder eben mit unserer Iris Berben, wieder eine ewige, koloniale Krankenschwester.

Schon sind hier nahezu alle Topoi versammelt, die sich für die weiße Frau auf schwarzem Gelände durchgesetzt haben, von humanitär bis ökologisch: Da begegnet uns die keusche Missionarin, die wildnisgeprüfte Farmerin, die klinisch ausgebildete Emanze, die umweltbesessene Forscherin, allesamt in der Fremde, hilflos oder burschikos: Nirgends sind sie so weiblich, wie in Afrika. An dieser Stelle ist dann auch ein tiefer Seufzer fällig. Denn auf sie alle, alle wirkt Afrika als Aphrodisiakum, eines, das in der physischen Nähe der halbwilden schwarzen Statisten, vor der Kulisse von Savannen, Safaris und Sternenhimmel, Zikadenzirpen, fernen Trommeln und dem nächtlichen Murmeln der Eingeborenen ganz und gar geheimnisvoll einfach aus der Atmosphäre gekeltert werden kann. Es entsteht dort wie von selbst. In der Regel treibt Afrikas Klima die weiße Frau dem weißen Mann ihrer Träume zu, und zwar mit einer Triebdichte und Dynamik, die Europa niemals zu bieten scheint.

Was blieb selbst Iris Berben übrig, als im antikolonialen Kolonialepos sich einen eben dieser Plätze zu suchen? Sie tut das gut, mit Ernst und immer ungekämmterem Haar, im weißen Kleid, in der Uniform der Krankenschwester, mal flüsternd und mal schreiend zusammenbrechend, wenn sie europäischen Kriegstreibern in hysterischer Verzweiflung ihren Schrei „Aufhören! Aufhören!“ entgegenschleudert. Sie ist nämlich mitten in die Wirren des Ersten Weltkrieges geraten, dessen Trabantenschlachten in Übersee zwischen Britisch-Südost und Deutsch-Südost ausgetragen werden. Auf der Website zum Film präsentiert das ZDF ein gefilmtes Dreh-Tagebuch des Regisseurs Carlo Rola. An einem Strand nach dem Gefecht weist er hinter sich: „Wenn wir hier rüberschwenken“, erläutert er die Szene seines „Antikriegsfilms“ nüchtern, „sehen wir die Toten, die hier noch warten auf die Special Effects.“ Um die Antikriegsbotschaft rüberzubringen, liebt Katharina in Mombasa oder Nairobi, anstatt ihres herrschsüchtigen, geldgierigen Ehemannes Richard von Strahlberg (Robert Atzorn), den Feind. Er ist Schotte und heißt Victor, mithin „Sieger“. Richard seinerseits, von List oder Zufall geleitet, läuft seiner Frau immer wieder in die Quere, auf Safari oder als Oberst an der Tropenfront. Aus dem Off ertönt übrigens sogar noch bei Granathagel an Mahler angelehnte Filmmusik mit satten Cello- und tiefen Bläserklängen.

Angesichts der großen Emphasemasse stört es kaum, dass Katharina 1915 eine andere Lazarettschwester auffordert, Penicillin zu holen, das ja ein anderer Schotte, der Bakteriologe Sir Alexander Fleming, erst 1928 entdeckte. Ihr Handwerk als Helferin hat sie bei einem sympathischen Tropenmediziner gelernt, der nach Mitteln gegen die Schlafkrankheit sucht. Afrika ist immer zugleich der Kontinent nicht nur der Natur sondern – da nun mal alles wuchert - auch der der Krankheit. Sie bietet dem weißen Mann seit Albert Schweitzer endlose Aufgaben. Er verfügt jedoch bei seinen afrikanischen Rollenmodellen über mehr Auswahl, als die weiße Frau. Der weiße Mann in Afrika, was für ein Kapitel. Wir finden ihn als Ausbeuter und Sklaventreiber, wie er unvergleichlich in Joseph Conrads Roman „Herz der Finsternis“ auftaucht. Er ist aber auch Humanist und Bürokrat – nirgends schöner und unkolonialer als bei Graham Greene im „Herz aller Dinge“, und dann natürlich Missionar, Geschäftsmann, Verwalter, Forscher, Ingenieur. Einsam ist der weiße Mann, trotz seiner Kolonialclubs entwurzelt, und damit ideales Objekt der weißen Frau. Er sieht seine Aufgabe vorrangig als Dompteur der wilden Schwarzen, religiös motiviert oder sadistisch enthemmt, stets neues Terrain erschließend, Aberglauben, Krankheit, Umweltsünden und Faulheit bekämpfend, wobei der Einzelgänger meist dem Großen und Ganzen dient, seinem Heimatland. Sehr schön hat Andreas Flitner das in der von ihm herausgegebenen Anthologie „Der deutsche Tropenwald“ (Campus, 2004) am Fall Bernhard Grzimek entschlüsselt.

Was auch in „Afrika, mon amour“ mit verblüffender Vorhersehbarkeit eintritt: Bei so viel Stoff hat der schwarze Mann kaum noch Platz. Sein Rollenrepertoire ist entsprechend reduziert. Treuer Diener („Boys“), edler Wilder, tückischer Saboteur, weiser oder wüster Medizinmann, und an erster Stelle, heute, Opfer des Kolonialismus: Das sind seine Optionen, für die auch ein Statistenhonorar genügt. Katharinas loyaler, gut deutsch sprechender „Boy“ Noah, der Mann mit dem blitzenden Lächeln und bisher einzige Afrikaner mit Namen, lebt auf dem Bildschirm vielleicht eine Viertelstunde, dann hängen weiße Deutsche den Deserteur auf. Wo aber bleibt die schwarze Frau? Abgesehen von raren Rollen als Kinderfrau in der Kolonialvilla oder als Kräuterkundige, wenn der Arzt fehlt, taugt sie allenfalls für folkloristischen Tanz in bunten Gewändern und im Kollektiv – wie man ihn am Donnerstag auf dem Flughafen von Accra in Ghana sehen konnte, in den Nachrichten, als Bundespräsident Horst Köhler dort eintraf. Uninteressant für die weiße Frau, tabu für den weißen Mann, hat die schwarze Frau im klassischen wie postmodernen Afrikafilm nicht viel zu suchen.

Und damit hätten wir unseren Kontinent auch schon in einen satten Baumwollballen verpackt, fertig für den Export nach Germany. Es soll übrigens in Afrika eine lebhafte junge Filmindustrie geben, eine intelligente und witzige, berichtet Dorothee Wenner, weitgereistes Jurymitglied der Berlinale. „Leider fehlt dafür hier offenbar noch der Markt.“

„Afrika, mon amour“, 3. und letzter Teil, heute 20 Uhr 15, ZDF

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