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Das Potsdamer Projekt HelpTo bündelt und vermittelt Sachspenden, Rechtsberatungen, Wohnungs- und Jobangebote, Sprachkurse, Fahrdienste und Freizeitaktivitäten für Flüchtlinge. Der Dienst expandiert derzeit nach Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Baden-Württemberg, wie Sprecher Volker Gustedt berichtet.

© DAVIDS/Sven Darmer

Nach dem Refugee-Hackathon: Die App-Helfer

Drei Monate nach dem Refugee-Hackathon gehen erste Projekte online, das nächste Treffen im Haus der Kulturen der Welt steht bevor.

Im Herbst 2015 schrieben Zeitungen viel über die Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge. Drei Monate später liest man über Enttäuschung und nachlassendes Engagement. Anke Domscheit-Berg ärgert das: „Ich erlebe das überhaupt nicht so. Woher haben die Zeitungen das immer nur?“ Die Netzaktivistin hat im Oktober in Berlin den Refugee-Hackathon ins Leben gerufen. Codierer schrieben Programme, die Flüchtlingen das Leben und ihren Betreuern die Arbeit erleichtern sollten. Nun sind die ersten fertig und online verfügbar.

„Wir haben selbst in brandenburgischen Kaffs Leute, die noch immer helfen“, sagt Domscheit-Berg. Um diese Freiwilligen zu koordinieren, steht nun der „Volunteer Planer“ bereit. 36 000 Menschen haben sich registriert, 115 000 Arbeitsstunden wurden über die Webseite vermittelt. Unter den 57 kooperierenden Einrichtungen sind in Berlin das Flüchtlingsheim Weißensee und der Olympiapark im Westend. „Ein anderes tolles Projekt, das wir auf dem Hackathon begonnen haben, ist Home4refugees.org“, sagt Domscheit-Berg. Die Webseite soll in Kürze starten und Wohnungen an Asylsuchende vermitteln.

Das Hackathon-Team „Interpreteer“ hingegen kämpft mit großen Problemen. Das Projekt will Dolmetscher mit Flüchtlingen zusammenbringen und bei Behördengängen unterstützen. „Die Idee war gut“, sagt Steffen Niemann, Ideengeber und Chef-Programmierer, „aber von Freiwilligen, die teils noch studieren, kaum zu schaffen“. Ist ein Hackathon vorbei, trennen sich die Teams, die Freiwilligen reisen wieder ab. Für halb fertige Projekte ist dann viel Langzeitmotivation erforderlich. Aus dem Hackathon wird ein Marathon. Schon 2015 sollte „Interpreteer“ fertig sein, die Webseite kündigt es nun für Februar an. „Aber derzeit kann ich nicht sagen, wann es fertig wird“, sagt Niemann, „Wir suchen nach Firmen, die das Projekt finanziell oder mit Programmierern unterstützen wollen.“

18 Projekte sind aus dem Hackathon entstanden

300 Programmierer und Asylsuchende hatten sich im Oktober des vergangenen Jahres drei Tage zum Refugee-Hackathon getroffen, um Web-Programme für die Flüchtlingsarbeit zu schreiben. 18 Initiativen sind daraus entstanden. Die nächste große Veranstaltung zum Thema „Flüchtlinge und Digitales“ ist „Civil Society 4.0“ im Haus der Kulturen der Welt vom 3. bis 5. März.

Doch auch wenn Web-Projekte fertig codiert sind, ist die Arbeit nicht vorbei. Um Asylbewerbern Anstehzeit vor dem Lageso zu ersparen, wollten Hackathon-Teilnehmer die Aufrufziffern online übertragen. Der Quellcode ist mittlerweile fertig, die Webseite Lagesonum.de online. Doch nur alle paar Tage trudeln neue Ziffern ein. Die Behörde kooperiert bisher nicht mit der Initiative. Neue Zahlen werden nur von Flüchtlingen vor Ort eingegeben und nicht automatisch vom Lageso eingespeist. „Ob dem Lageso zivilgesellschaftliche Projekte egal sind oder die Mitarbeiter nur im Hamsterrad rennen und keine Zeit haben, weiß ich nicht“, sagt Anke Domscheit-Berg. Auf dem Hackathon, der ausdrücklich Behörden eingeladen hatte, war im Oktober nur ein einziger Mitarbeiter des Kanzleramtes. „Da dachte ich mir, das ist ja immerhin etwas,“ sagt Domscheit-Berg, „Bis er betreten zugab, dass er nur in seiner Freizeit da wäre.“

HelpTo hilft Kommunen, die bei der Flüchtlingshilfe am Anfang stehen

Erfolgreicher in der Kooperation mit staatlichen Stellen ist „HelpTo“, ein Projekt des Vereins „Neues Potsdamer Toleranzedikt“, das einen Rundum-Sorglos-Service anbietet und sich vor allem für Kommunen eignet, die bei der Flüchtlingshilfe ganz am Anfang stehen. Sachspenden, Rechtsberatungen, Wohnungs- und Jobangebote, Sprachkurse, Fahrdienste und Freizeitaktivitäten für Flüchtlinge werden hier nach Regionen gebündelt und vermittelt. Die Initiative aus Potsdam, mit 20 000 Euro von Stadt und Land gefördert, expandiert derzeit nach Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Baden-Württemberg. „In Ludwigsburg nahe Stuttgart beispielsweise pushen Stadtverwaltung und örtliche Organisationen die Webseite enorm“, freut sich Volker Gustedt, HelpTo-Pressesprecher.

Einzig in Berlin tut man sich schwer. Nur wenige Angebote und Gesuche finden sich auf der Webseite für die Hauptstadt. „In Berlin gibt es bereits gut organisierte Helfer. Zudem sind Behörden-Zuständigkeiten unübersichtlich“, erklärt Gustedt. „Die Unterstützung für eine Initiative, die nicht aus Berlin, sondern aus Brandenburg kommt, war – vorsichtig gesagt – zurückhaltend.“

Allerdings will „HelpTo“ – anders als andere Teilnehmer des Hackathons – seinen Quellcode nicht veröffentlichen und sich von Nachahmern in die Karten schauen lassen. Denn leider würden die Flüchtlingshelfer von Rechtsradikalen eingeschüchtert, Autos angezündet, klagt Gustedt: „Wir bieten unseren Freiwilligen absolute Anonymität. Und das muss auch so bleiben.“

Michel Penke

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