zum Hauptinhalt

Gesellschaft: Tausendundeine Idee

Wir verbinden mit dem Iran vor allem verschleierte Frauen. Doch hinter verschlossenen Türen tut sich was. Gerade durch die Abschottung ist eine lebendige Designszene entstanden, Kamelia Adibjou macht sie sichtbar.

Ein rotes Minikleid mit üppig bestickter Front. Eine Handtasche aus einem Stück Teppich, prächtige Juwelen aus Pappmaché. Teller und Schüsseln, mit den großen Augen bemalt, die den bösen Blick fernhalten sollen: Zeitgenössisches persisches Design ist oft eine spielerische Interpretation von traditionellen Mustern, Motiven und Handwerkstechniken.

Gut 70 Designerinnen und Designer aus den Bereichen Mode, Accessoires, Schmuck, Keramik und Wohntextilien hat Kamelia Adibjou auf ihrem Onlineshop Kadib versammelt. Bereits die Seite selbst macht Spaß, sie ist gestaltet mit Illustrationen wie aus dem Märchenbuch. Wer auf der Suche nach Alternativen zum gewohnten Stil ist, wird hier seine Freude haben.

Wenn sie über „ihre“ Designer spricht, gerät die zierliche Iranerin mit den glänzenden schwarzen Haaren ins Schwärmen: „Sie sind wie meine Babys, ich liebe sie alle!“ Sie freut sich, die begabten jungen Menschen in der Welt sichtbar zu machen. Und sie freut sich darüber, wie sie sich darüber freuen, wenn ihre Designs auf Blogs und in Editorials von Zeitschriften auftauchen.

In den letzten Jahren hat es im Iran einen regelrechten Designboom gegeben. Donald Trumps Handelsembargo und die damit einhergehende Inflation haben dazu geführt, dass westliche Mode kaum noch erschwinglich ist. Auflagen der Regierung in Teheran führten außerdem dazu, dass die wenigen internationalen Marken, die es gab, sich aus dem Land zurückgezogen haben. Der Bedarf an Mode und Stil ist aber groß. Diesen Bedarf müssen jetzt heimische Designer decken – ihre große Chance. Selbst eine Fashionweek gibt es seit 2014 in dem Land, das wir im Westen meist mit verschleierten Frauen verbinden. Die Regierung gab ihren Segen, indem sie offiziell verlautbaren ließ, dass der Islam weder die Mode noch das Modeln verbietet.

Noch kämpfen die Designer gegen Widrigkeiten wie Materialknappheit, fehlende Ausbildung und Infrastruktur. Aber was ihnen an Professionalität abgehen mag, machen sie durch Phantasie und Enthusiasmus wett. Kamelia Adibjou möchte ihnen eine Plattform bieten und außerdem die Handarbeiterinnen unterstützen, die mit ihren Stickarbeiten viele Stücke veredeln. Die Technik beherrschen nur noch wenige Frauen. Dass ihre Kenntnisse wieder gefragt sind, sichert ihnen ein Einkommen, von dem sie ihre Familien ernähren können.

Von Berlin aus, wo sie ihr Unternehmen vor ein paar Monaten mit einem deutschen Geschäftspartner gegründet hat, liefert Adibjou in die ganze Welt. Hier hat sie inzwischen ein großes Lager und beschäftigt acht Mitarbeiter. Direkt im Iran einzukaufen, ist nämlich selbst für die meisten Exil-Iraner nicht möglich.

Eigentlich war Adibjous Plan zunächst ein ganz anderer. Als sie nach zehn Jahren in Dubai und London, wo sie ihren Master in Luxury Brand Management machte und Erfahrungen in der Modebranche sammelte, nach Teheran zurückkehrte, hatte sie vor, ihre Landsleute mit Mode zu versorgen und gründete den ersten Fashion-Onlinshop im Iran. Viele rieten ihr davon ab, aber sie war überzeugt: „Irgendjemand muss der Erste sein.“ Sie leistete Pionierarbeit. „Wir mussten die Leute von A bis Z führen. Die meisten hatten noch nicht einmal eine Mailadresse“, sagt die Unternehmerin. Dann aber wurde das Angebot an günstiger, trendiger Mode sehr gut angenommen – bis die Inflation ihr einen Strich durch die Rechnung machte. „Ein Paar Asos-Schuhe hätte dann plötzlich so viel gekostet wie ein Paar von Gucci.“

So musste sie umdenken und beschloss, wieder ins Ausland zu gehen. Kurz entschlossen nahm sie im März den letzten Flieger nach Europa, bevor wegen Corona der Flugverkehr eingestellt wurde. Sie landete in Spanien und musste wegen des Lockdowns erst einmal drei Monate bei ihrer Tante in Marbella bleiben. „Hätte schlimmer kommen können“, sagt sie und lacht. Auf Unterstützung ihrer Familie kann Adibjou zählen. Auch wenn sie zurzeit selbst zum Telefonieren kaum Zeit hat, weil sie so viel arbeitet. Sie hat große Pläne. Neben den Produkten möchte sie Informationen über ihre Heimat liefern, um die Schönheit und Lebensfreude zu zeigen, die in Medienberichten zumeist nicht vorkommt. Ein Kadib-Premiumbereich ist in Planung, auf dem sie Design von persischstämmigen Designern wie Lala Berlin oder Nobi Talai anbieten möchte. Sie freut sich darauf, wenn wieder Events wie Pop-up-Stores auf Festivals und in Conceptstores möglich sind. „Es ist schön, wie begeistert sie Leute sind, wenn sie die Sachen sehen und anfassen. Jeder, der uns einmal entdeckt hat, kommt wieder.“

Mehr Infos : www.kadib.com

Bettina Homann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false