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Robert Fico, Ministerpräsident der Slowakei,

© IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Tomas Tkacik

Schüsse auf Robert Fico: Auch in Deutschland wächst die Gefahr

Die Einführung der Demokratie bedeutete den Sieg des Stimmzettels über die Kugel. Attentate sind der extremste Versuch, diesen Fortschritt rückgängig zu machen. Und tödlich für die Demokratie.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Das politische Attentat ist ein Albtraum jeder Demokratie. Demokratie lebt davon, dass die gewählten Repräsentanten sich angstfrei unters Volk mischen, sich den Fragen, Zweifeln, der Kritik der Bürgerinnen und Bürger im öffentlichen Raum stellen. Oder auch Zustimmung erfahren. Wenn möglich unter freiem Himmel, auf den Marktplätzen und in den Fußgängerzonen.

Die Schüsse auf den slowakischen Regierungschef haben diese Idealvorstellung erschüttert. Die Attacke auf den Menschen Robert Fico ist zugleich ein Angriff auf den Glauben an die friedensstiftende Wirkung von Demokratie und Rechtsstaat.

Demokratie, so sagt man in Amerika, bedeutet den Sieg des „ballot over the bullet“, den Triumph des Stimmzettels über die Kugel. In der Theorie ersetzt sie die Kämpfe um Macht und Interessen, die früher mit Gewalt ausgetragen wurden, durch gewaltfreie Prozesse: reden, argumentieren, wählen, Kompromisse.

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Hasserfüllte Polarisierung in der Slowakei

Nach den Schüssen auf Fico stellt sich die Frage: Kann das auch in Deutschland passieren? Oder sind die Gründe für das Attentat auf ihn in den spezifischen Bedingungen der Slowakei zu suchen? Etwa in der hasserfüllten Polarisierung, zu der Fico durch seinen populistischen Wahlkampf mit beigetragen hat?

Redliche Antworten können sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein begnügen. Hierzulande hat es doch bereits Attentate auf Spitzenpolitiker gegeben: 1990 auf Oskar Lafontaine, damals Kanzlerkandidat der SPD, und auf Wolfgang Schäuble, damals Bundesinnenminister. 2015 auf Henriette Reker, parteilose Kandidatin für das Amt der Oberbürgermeisterin in Köln. 2019 auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Da hilft auch der Hinweis nicht weiter, dass die Täter in den beiden prominentesten Fälle, Lafontaine und Schäuble, keine politisch-ideologischen Motive hatten, sondern psychisch gestörte Menschen waren. Die Attentate auf Reker und Lübcke werden Rechtsextremisten zugeordnet.

Gewalt gegen Politiker in Deutschland

Zudem ist auch im Fall Fico das Motiv des Schützen noch nicht eindeutig geklärt. Das sollte ein weiterer Grund gegen den vorschnellen Schluss sein, in Deutschland sei die Gefahr geringer, weil die Gesellschaft nicht so gespalten und politisch aufgeputscht sei wie in der Slowakei.

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Deutschland ist auf absehbare Zeit im Dauer-Wahlkampf – erst die Europawahl, dann drei ostdeutsche Landtagswahlen, dann die Bundestagswahl. Und es erlebt nach allem Anschein bereits eine erschreckende Ausweitung der Angriffe auf Politiker und Wahlhelfer. Sie reichen von verbalen Pöbeleien über Einschüchterungsversuche bis zu körperlichen Attacken.

Obwohl die Bereitschaft, politische Meinungsverschiedenheiten mit Gewalt auszutragen, seit mehreren Jahren statistisch nachweisbar ist, war diese Bedrohung der Demokratie lange kein herausragendes öffentliches Thema. Erst der Angriff auf Matthias Ecke, den Spitzenkandidaten der sächsischen SPD für die Europawahl, hat zu dem breiten Entsetzen und den Schlagzeilen geführt, die diese Attacke auf die Demokratie verdient.

Was tun? Einfache Abhilfe ist nicht in Sicht. Der naheliegende Reflex, mehr Politiker müssten besseren Personenschutz erhalten, hat zwei Kehrseiten. Es gibt nicht genug Beamte für den umfassenden Schutz aller Amtsträger auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Zudem würde die Kernidee der Demokratie konterkariert, wenn die öffentliche Begegnung zwischen Bürgern und ihren Repräsentanten nur noch unter Polizeischutz möglich wäre.

Aber es wäre schon einiges geholfen, wenn möglichst viele im Trend zum Lagerdenken eine ernste Gefahr für die Demokratie erkennen. Polarisierung führt zu Spaltung. Und dann ist es nicht mehr weit zu dem verführerischen Denken, dass die sogenannten „Populisten“ angeblich selbst ein bisschen schuld sind, wenn sie mit ihren Parolen so viel Hass auf sich ziehen. Die „Populisten“ wollen viele nur im gegnerischen Lager sehen und selten auf der eigenen Seite.

Demokratie und Rechtsstaat dürfen ohnehin nicht nach politischer Couleur entscheiden, wenn es um Gewalt gegen Menschen geht. Und im Extremfall um politische Attentate. Wenn die Kugel wieder über den Stimmzettel siegt, wäre das tödlich für die Demokratie.

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