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SCHREIB Waren: Groupies! Drogen! Jetset!

Es hat ein wenig gedauert, bis sich das Verzögerungsmedium Literatur des Kunstbetriebs angenommen hat, aber in letzter Zeit erscheinen immer mehr Bücher, die ihre Hauptfiguren aus der verführerisch schillernden Kunstwelt rekrutieren und von egomanischen Künstlern, geltungssüchtigen Sammlern oder speichelleckerischen Journalisten erzählen. So ein anständig korrupter Kunstbetrieb ist auch ein dankbares Genre.

Es hat ein wenig gedauert, bis sich das Verzögerungsmedium Literatur des Kunstbetriebs angenommen hat, aber in letzter Zeit erscheinen immer mehr Bücher, die ihre Hauptfiguren aus der verführerisch schillernden Kunstwelt rekrutieren und von egomanischen Künstlern, geltungssüchtigen Sammlern oder speichelleckerischen Journalisten erzählen. So ein anständig korrupter Kunstbetrieb ist auch ein dankbares Genre. Es liefert die Satire (Groupies, Drogen, Jetset!) quasi frei Haus, kritisiert gleichzeitig aber immer auch einen aus dem Ruder gelaufenen Kapitalismus. Kunstbetriebs-Romane sind irgendwie näher an der dreckigen Gegenwart, können irgendwie mehr über die Gesellschaft sagen.

Geradezu rührend vorgestrig mutet da noch die Satire „Ich und Kaminski“ von Daniel Kehlmann an, schon 2003, also vor ewigen Zeiten erschienen, denn der Künstler, der darin im Mittelpunkt steht, ist einer der letzten Schüler von Matisse, also ein eigentlich schon ausgestorbener Vertreter der klassischen Moderne.

Die meisten Bücher jüngeren Datums wenden sich dagegen einem heutigeren Künstler-Typen zu. Silke Scheuermann erzählt in „Shanghai Performance“ von einer ehrgeizigen Performance-Künstlerin, die sich aus Erfolgssucht tief in Schuld verheddert, der Architekt Friedrich von Borries schickt in seinem konzeptuell anmutenden Roman „1WTC“ den Künstler Mikael Mikael von Berlin Mitte nach New York und treibt ein recht unheimliches Spiel mit Fiktion und Wirklichkeit, während der gewiefte Michel Houellebecq mit seinem Weltbestseller „Karte und Gebiet“ mal wieder den Vogel abgeschossen hat. Sein Romankünstler Jed Martin wird mit Vergrößerungen von Straßenkarten berühmt.

Um die sehr wirksame Mischung aus Raffinement und Banalität geht es auch in der durchgedrehten Kunst-Satire „Kosmas“, dem Debütroman von Musiker, Künstler und Elfenspezialist Wolfgang Müller. Darin gewährt Müller dem berüchtigten, in Formaldehyd eingelegten Hai von Damien Hirst ein zweites Erscheinen. Außerdem treten auf: ein Klimaanlagen-Milliardär, ein Kunsthändler namens Saatchi und ein gewisser Gunther von Hagens, der Hirst gute Ratschläge zur Konservierung des Tieres gibt, sein Verrotten aber nicht verhindern kann (11.1., 20 Uhr im Literaturforum im Brechthaus, Chausseestraße 125).

Außerdem diese Woche schon zum 11. Mal: der Berliner Wintersalon. Vom 12. bis 15.1. lesen 35 Autoren in Jurten im Sony-Center zum Thema „Zeitenbilder – Generationen und Gesellschaft.“ Unter anderem stellen Kolja Mensing, Tanja Dückers, Jan Koneffke, Volker Braun, Inka Parei und Judith Schalansky bei freiem Eintritt ihre neuen Bücher vor (www.salonkultur.de, Platzreservierung unter 030-2575 5700).

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