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Kultur: Happy Birthday I

Es ist selbst in unserer auf Jubiläen versessenen Zeit etwas Besonderes, den 100.Geburtstag einer Komponistin in Anwesenheit der Künstlerin zu begehen.

Es ist selbst in unserer auf Jubiläen versessenen Zeit etwas Besonderes, den 100.Geburtstag einer Komponistin in Anwesenheit der Künstlerin zu begehen.Das Werk der 1899 in Wien geborenen Grete von Zieritz erscheint aber noch aus einem anderen Grund aufschlußreich.Die Wahlberlinerin blieb sich und der Schule ihres Lehrers Franz Schreker auch über den Zivilisationsbruch von 1933-45 hinaus treu.Wie sich die gemäßigte Moderne der 20er Jahre jenseits von Atonalität und Serialismus hätte entwickeln können, wäre der Traditionsfaden nicht von nationalsozialistischen Wahnideen gekappt worden, das war im von der Berliner Senatsverwaltung für Kultur und dem Konzerthaus gemeinsam veranstalteten Geburtstagskonzert zu erfahren.Zum Beispiel zu Beginn beim beherztem Griff in den Fundus der Volks- und Trivialmusik.Während sich Marianne Boettchers Violine in Intervallschritten andächtig in ätherische Höhen schraubt, donnern Brigitta Wollenwebers Klavierbässe ein keckes "Funicolì, funicolà" dazu.Die klingende Neapel-Kulisse antwortet auf Tomasi di Lampedusas Erzählung "Ligäa, die Sirene", von der sich Grete von Zieritz 1964 zu einer "Szene für Violine und Klavier" anregen ließ.Schon hier fällt die Neigung der Offizierstochter zu forscher Überrumpelung auf, deren Überraschungseffekt durch regelmäßig vorangehende Trugschlüsse gesteigert wird.Fagottisten werden ihr die Erweiterung ihres Repertoires um zwei wirkungsvolle Stücke danken.Das "Sextett für Fagott und Streichquintett" (1968) ist ein kammermusikalisch besetztes Fagottkonzert in klassisch viersätziger Form mit einem schönen langsamen Satz, einem harlekinesken Scherzo und einem hochvirtuosen Finale, in dem Erik Reike und seine Kollegen von der Sächsischen Staatskapelle Dresden sichtlich in ihrem Element waren.Das anfangs angejazzte "Concertino" von 1982 erweitert diese Besetzung um Klarinette und Horn zum Concerto grosso.Als klassisch gebaute, deftige Spielmusik präsentierten sich die "Zwei Stücke für Streichquartett" von 1926, während sich Grete von Zieritz im "Triptychon" von 1987, ihrem letzten Werk, mit dem Mut zu spröder Konzentration auf das von Bach besetzte Gebiet der Literatur für Violine solo wagte.Mit den fünf "Vogelliedern für Koloratursopran, Flöte und Klavier" (1933) stellten Katharina Richter, Marcella Katz und Konstantin Gottlob ein Werk vor, das den Sinn der Komponistin für die Verbindung von musikalischen und außermusikalischen Gehalten im Geiste eines sachlichen Expressionismus, einer expressiven Sachlichkeit deutlich macht.

BORIS KEHRMANN

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