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Alte Bücher sind voll altertümlicher Wörter.

© KNA

Sprachlicher Reichtum: Wie uns die Alten sungen

Scharteke und Quäntchen, Meuchelpuffer und Nieselpriem: Es macht Spaß, vergessene Wortschätze zu heben.

Ein Kommentar von Frederik Hanssen

Tut mir bitte den Gefallen und leset das Buch nicht“, schreibt Heinrich von Kleist im März 1803 an seine Schwester Ulrike. „Es ist eine elende Scharteke.“ Eine was?

Eine wertlose Publikation, lerne ich aus dem Kalender „Vergessene Wortschätze 2023“, den ich zu Weihnachten von meiner Schwester geschenkt bekommen habe. Sie weiß, dass ich vom Reichtum des deutschsprachigen Vokabulars fasziniert bin, vor allem von altertümlichen Begriffen und Ausdrücken. Tag für Tag kann ich dank des geschäftstüchtigen Duden-Verlags jetzt einen dieser Schätze heben.

Anatomie? Entgliederkunst!

Zum Stichwort Scharteke ist zu erfahren, dass die Ursprünge im lateinischen „charta“ (Karte), im französischen „charte“ (Urkunde) und im altgriechischen Wort für die Blätter des ägyptischen Papyrus liegen. Im 19. Jahrhundert wurde damit dann Schund beschrieben, literarischer wie auch theatralischer.

Durch den Kalender habe ich auch Philipp von Zesen kennengelernt, einen Dichter des 17. Jahrhunderts, der für die Eindeutschungen von Fremdwörtern gekämpft hat. Bei Versicherung (statt Assekuranz) und Gotteshaus (statt Tempel) ist es ihm gelungen. Weniger erfolgreich waren seine Vorschläge Pistole durch „Meuchelpuffer“ zu ersetzen oder Anatomie durch „Entgliederkunst“.

Neu war mir auch, dass ein Quäntchen nichts mit dem Quantum zu tun hat, also der jemandem zugedachten Menge einer Ware. Das legt nur die 1996 festgelegte modernistische Schreibweise nahe. In Wahrheit kommt das Quentchen vom lateinischen quintus, dem fünften Teil: eines Lots nämlich, also eines Gewichtsmaßes. Ein Quent wiegt genau 1,67 Gramm.

Hübsch finde ich auch den Begriff „Murrkopf“ für chronisch Schlechtlaunige. Im erklärenden Text zum 19. Januar werden die alternativen Ausdrücke „Knurrhahn“ und „Nieselpriem“ erwähnt. Bei „skrupulös“ und „parlieren“ geht die etymologische Herleitung dagegen sehr in die Tiefe. Aber es handelt sich ja auch um eine sprachwissenschaftliche Publikation, wenngleich mit perforierter Abrissfunktion.

Übers Jahr hoffe ich, meinen Wortschatz enorm erweitern zu können. Jetzt schon lauere ich darauf, „Ranküne“ (im Verborgenen wuchernde Feindschaft“) und „Remedur“ (Beseitigung von Missständen) in einen meiner nächsten Artikel unterbringen zu können.   

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