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Politik: General in Handschellen

Zdravko Tolimir gilt als Planer des Massakers von Srebrenica im Jahr 1995 – jetzt sitzt er im Gefängnis

Nun ist er dort, wo er hingehört: Am Freitag wurde Zdravko Tolimir in seine Einzelzelle im Gefängnis des UN-Kriegsverbrechertribunals in Den Haag geführt. Immerhin wird dieser Mann des größten Massakers beschuldigt, das Europa seit dem Zweiten Weltkrieg durchlebt hat. Tolimir, 1948 in Glamoc im Westen Bosniens geboren, war der zweite Mann in der Militärhierarchie der bosnischen Serben hinter Armeechef Ratko Mladic. Während sich der stiernackige General seit bald elf Jahren dem Zugriff der Justiz entzieht, wurde der Ex-General Tolimir am Donnerstag im Grenzgebiet zwischen Bosnien und Serbien in die Enge getrieben – und in einer gemeinsamen Aktion der serbischen und der bosnisch-serbischen Polizei festgenommen.

Die Regierung der serbischen Republik in Bosnien bestätigte die Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers, der offenbar kurz vor seiner Flucht nach Serbien war. Tolimir gilt als Planer des Völkermordes in der ostbosnischen Kleinstadt Srebrenica im Juli 1995. Dabei waren mehr als 7000 Muslime bestialisch hingerichtet und mit industrieller Gründlichkeit in Massengräber verscharrt worden.

Srebrenica war damals eine sogenannte UN-Schutzzone. Die Weltorganisation hatte in Srebrenica 400 holländische Soldaten stationiert, die mit leichten Waffen fast 30 000 bosnische Zivilisten und bewaffnete Verteidiger vor Angriffen der Serben schützen sollten. Eine unmögliche Aufgabe, die in einer Demütigung gipfelte: Auf einem weltweit bekannten Foto sieht man Tom Karremans, den Befehlshaber der niederländischen UN-Truppen, wie er Mladic kurz nach der Eroberung Srebrenicas mit einem Sektglas zuprosten muss.

Die offene Wunde beschäftigt noch heute die holländische Öffentlichkeit. Überlebende des Massakers von Srebrenica wollen am kommenden Montag eine Klage gegen das Verteidigungsministerium in Den Haag einreichen, weil die niederländischen Soldaten nichts für den Schutz der Zivilbevölkerung unternommen hätten. Tatsache ist: Srebrenica wurde von Mladics Soldaten vor den Augen der machtlosen Holländer eingenommen. Zdravko Tolimir war damals Stellvertreter Mladics und zuständig für Sicherheit und Nachrichtendienste. Nach dem Massenmord soll Tolimir auch den Einsatz chemischer Waffen gegen Flüchtlingskolonnen verlangt haben. Dem UN- Tribunal in Den Haag liegt ein entsprechendes schriftliches Gesuch an die Armeeführung der bosnischen Serben vor.

Obwohl an seinen Händen offensichtlich Blut klebt, wurde Tolimir von der Nato-Friedenstruppe auch nach dem Ende des Bosnienkrieges hofiert, weil sie eine bewaffnete Konfrontation fürchtete. Erst im November des Jahres 1996 wurde er entlassen, blieb aber jahrelang unbehelligt – und organisierte laut serbischen Medien das Netzwerk zur Unterstützung seines ehemaligen Chefs Ratko Mladic. Angeklagt wegen Kriegsverbrechen und Völkermord wurde Tolimir erst im Februar 2005. Danach tauchte er unter.

Am Montag wird die im September abtretende UN-Chefanklägerin Carla del Ponte zu ihrem voraussichtlich letzten Besuch in Belgrad erwartet, wo sie den Stand der Zusammenarbeit Belgrads mit der internationalen Justiz prüfen will. Ihr Urteil ist mitentscheidend für die Zukunft des Landes. Bislang hatte del Ponte die EU stets vor einem Nachgeben gegenüber Serbien gewarnt, solange die ehemaligen Führer der bosnischen Serben Ratko Mladic und Radovan Karadzic in Freiheit leben.

Enver Robelli[Zagreb]

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