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Politik: Vorbereitung auf den Angriff

Nach Gesprächen mit den USA steht für den türkischen Ministerpräsidenten fest: Ein Irak-Krieg ist unabwendbar

Von Susanne Güsten, Istanbul

Es gehört in diesen Tagen einiges dazu, die türkischen Politiker von ihrer Nabelschau aufblicken zu lassen – doch was US-Botschafter Robert Pearson jetzt aus Washington auszurichten hatte, ließ sie aufmerken. Pearson sprach am Dienstag gleich zweimal im türkischen Außenministerium bei dem für Sicherheitsfragen zuständigen Staatssekretär vor; im Anschluss trafen sich der türkische Ministerpräsident, Generalstabschef, Außenminister und Staatspräsident zum Gespräch. Von der US-Botschaft gab es keine Erklärung für diese Betriebsamkeit, doch der Ministerpräsident Bülent Ecevit bestätigte: Es gehe um die „militärische und politische Vorbereitung“ des US-Angriffs auf Irak.

Die USA seien zu einem Angriff auf Irak entschlossen, berichtete Ecevit; dies hätten die Amerikaner deutlich gesagt. Insofern bleibe der Türkei nichts anderes übrig, als sich auf diesen Angriff vorzubereiten. Damit räumte der türkische Regierungschef erstmals ein, dass der Krieg gegen das Nachbarland unausweichlich geworden ist. Unterdessen zeigte sich US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld in Washington davon überzeugt, dass die irakische Führung Verbindungen zur Terror-Organisation Al Qaida hat.

Einzelheiten der Gespräche mit Pearson nannte Ecevit nicht. Das Außenministerium dementierte, dass der US-Botschafter offiziell um die Erlaubnis zur Stationierung von US-Bodentruppen in der Türkei und zur Nutzung der türkischen Luftwaffenstützpunkte ersucht habe; beides gilt als unabdingbar, seit Saudi Arabien dies im Falle eines Angriffs abgelehnt hat. Laut Presseberichten wies aber der Generalstabschef darauf hin, dass ein Parlamentsbeschluss dafür ebenso notwendig sein werde wie für die Entsendung türkischer Truppen nach Nordirak.

Türkische Medien meldeten außerdem, dass eine 15-köpfige Delegation amerikanischer Militärs in Ankara bereits die Stationierung von Patriot-Raketenabwehrsystemen sondiert. Mit der sicherheitspolitischen Abteilung des türkischen Außenministeriums und dem Generalstab der Armee beraten die US-Spezialisten offensichtlich schon seit Tagen über die Errichtung eines aus Patriots und Frühwarnsystemen bestehenden Schutzschildes gegen Scud-Raketen aus Irak.

Im türkischen Außenministerium beriet der Sicherheits-Staatssekretär am Mittwoch mit dem Chef des türkischen Geheimdienstes. Am Donnerstag wird dort ein Spitzenvertreter der kurdischen Autonomiezone im Nordirak erwartet, die sich seit dem Golfkrieg zu einem inoffiziellen Kurdenstaat entwickelt hat. Die Türkei hat mehrfach gewarnt, im Nordirak einzumarschieren, wenn sich diese Entwicklung fortsetze.

Die Innenpolitik vergaßen die türkischen Politiker bei alledem aber trotzdem nicht. Während das Parlament am Mittwoch gegen Ecevits Willen vorgezogene Neuwahlen für den 3. November beschloss, zog der alte Ministerpräsident einen letzten Trumpf aus dem Ärmel: Wenn es Krieg gegen Irak gebe, dann würden die Wahlen wieder verschoben, hieß es in seiner Umgebung.

Stoiber rechnet mit Krieg

Bielefeld (rtr). Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) geht offenbar davon aus, dass die USA konkrete Angriffspläne für den Irak haben. Stoiber sagte am Mittwoch in Bielefeld: „Wir stehen möglicherweise am Vorabend eines Krieges zwischen Amerika und dem Irak.“ Er wolle, dass solche Konflikte vermieden würden. Deshalb müsse ein starkes Europa geschaffen werden, sagt er.

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