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Brandenburg: Hartz IV: 3000 Uckermärker bangen um Wohnungen

Miete sowie Betriebs- und Heizkosten liegen laut Landrat über dem Regelsatz der Arbeitsreform-Gesetze

Miete sowie Betriebs- und Heizkosten liegen laut Landrat über dem Regelsatz der Arbeitsreform-Gesetze Prenzlau - Im Landkreis Uckermark bangen rund 3000 Langzeitarbeitslose um ihre Wohnungen. Ausgelöst wurde die überall spürbare Aufregung durch ein „Informationsschreiben“ von Landrat Klemens Schmitz (SPD). Darin teilte er rund einem Drittel der 9000 Antragsteller auf Arbeitslosengeld II vorsorglich mit, dass ihre Wohnkosten über den gesetzlichen Obergrenzen liegen. Den Mietern zwischen Angermünde, Schwedt und Prenzlau bleibe als Ausweg nur die Suche nach einer billigeren Wohnung oder eine drastische Senkung der Ausgaben für Wasser und Heizung. Die Schonfrist dauere noch ein halbes Jahr. Ab Juli zahlte das Amt für Grundsicherung des Landkreises, der in der Uckermark die Betreuung der Langzeitarbeitslosen von der Arbeitsagentur übernommen hatte, nur noch den im Gesetz vorgeschriebenen Regelsatz für „angemessenen Wohnraum“. Die Miete der Betroffenen sowie die Betriebs- und Heizkosten übersteigen nach Angaben der Sprecherin des Landratsamts, Ramona Neumann, tatsächlich die im Hartz-IV-Gesetz festgelegten Bemessungsgrundlagen. „Das bedeutet aber nicht, dass alle sofort umziehen müssen“, sagte Neumann dem Tagesspiegel. „Jeder Fall wird genau geprüft.“ Wegen 20 oder 30 Euro Differenz müsse wahrscheinlich niemand ausziehen. Das ergebe sich schon aus dem Vergleich mit den Umzugskosten, die das Amt für Grundsicherung ebenfalls tragen müsse. Der Landkreis hoffe außerdem auf ein Entgegenkommen der Wohnungsgesellschaften. Wenn diese die Mieten senken würden, könnten viele in ihrem Zuhause bleiben. Schon jetzt liegen die Mieten in der Uckermark viel niedriger als in Berlin oder Potsdam. Das verwundert bei einer Arbeitslosenquote von 28,5 Prozent in Prenzlau oder von 24,6 Prozent in Angermünde kaum. Die niedrigere Miete wird allerdings in Angermünde durch hohe Gaspreise ausgeglichen. Ausgerechnet die Stadtwerke der Kleinstadt verlangen die teuersten Gaspreise in Deutschland. Durchschnittlich muss ein Haushalt hier für 20 000 Kilowattstunden rund 180 Euro im Jahr mehr zahlen als in Westdeutschland. Deshalb trugen am Silvestertag 250 Demonstranten den Sozialstaat in Angermünde symbolisch zu Grabe. „Wir fühlen uns völlig entmündigt“, meinte die Organisatorin der Proteste, Birgit Kühr. „Wir sind keine Bürger mehr, sondern Bedarfsgemeinschaften, aus unseren Wohnungen wurden in der Amtssprache angemessene Unterkünfte“. Auch die Landespolitik in Potsdam ist inzwischen alarmiert: So nannte es die SPD-Landtagsabgeordnete Esther Schröder am Mittwoch gegenüber dem Tagesspiegel „unfassbar“, dass nur wenige Tage nach Start der Reform an viele Betroffene solche instinktlosen Schreiben versandt worden sind, die Ängste und Befürchtungen auslösten. „Das ist eine Zumutung und muss vor Ort korrigiert werden“, so die Abgeordnete. Bei Schröder, die in ihrem Potsdamer Landtagsbüro eine hochfrequentierte Hartz-IV-Infohotline eingerichtet hat, meldeten sich viele durch die Schreiben beunruhigte Uckermärker. Die PDSsieht sich in ihrer Fundamentalkritik an Hartz IV bestätigt: Das rigorose Vorgehen in der Uckermark passe in das allgemeine sozial kalte Klima, sagte Kerstin Kaiser-Nicht, die sozialpolitische Sprecherin der PDS-Landtagsfraktion und Vorsitzende des Sozialausschusses im Landtag. „Alle sichern sich ab, zu Lasten der Schwächsten.“ Kaiser-Nicht warf Sozialministerin Dagmar Ziegler (SPD) vor, die Probleme bei der Arbeitsmarktreform zu verharmlosen. Der Fall Uckermark zeige, wie voreilig ihre Aussage von einem „reibungslosen Start von Hartz IV in Brandenburg“ gewesen sei.

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