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Tesla beschäftigt derzeit nach eigenen Angaben mindestens 8500 Mitarbeiter im Werk in Grünheide.

© dpa / dpa/Patrick Pleul

Tesla-Betriebsrat contra IG-Metall : Belegschaftsvertretung der Brandenburger „Gigafabrik“ erhebt Vorwürfe gegen Industriegewerkschaft

Um die Tesla-Fabrik in Grünheide reißen negative Schlagzeilen nicht ab, ob um Trinkwasserschutz oder um den Arbeitdruck. Nun gibt es Gegenwehr.

Um das Tesla-Werk, das Elon Musk an den Berliner Autobahnring bei Grünheide klotzen ließ, spitzen sich die Konflikte um Wasser und Arbeitsdruck weiter zu. Die oppositionellen Linken und die Freien Wähler haben im Brandenburger Landtag eine Sondersitzung des Fachausschusses noch im Januar beantragt, nachdem das Landesumweltamt dem Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) die Kontrollbefugnis auf dem teilweise im Trinkwasserschutzgebiet liegenden Werkgelände entzog. Den Vorwurf, dass damit Tesla die Grundwasser-Kontrolle allein überlassen werde, weisen Landesregierung, Landkreis und Landesumweltamt indess zurück.

„Das Land Brandenburg steht dafür, dass Tesla alle Standards einhalten wird. Das werden wir weiter machen und auch kontrollieren“, versicherte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) jetzt auf einer Bürgerversammlung in Altlandsberg. „Es gibt keine schleichende Vergiftung durch Tesla“, sagte Umweltminister Axel Vogel (Grüne) zum Vorwurf der Bürgerinitiative Grünheide. Es gebe ein abgestimmtes Monitoring-Konzept, nach dem die für die Überwachung zuständige Untere Wasserbehörde des Kreises alle Daten erhalte, der WSE Einsicht erhalte.

Eine andere Flanke: Nach monatelanger Negativ-Presse über Tesla geht nun der Betriebsrat in Grünheide auf offene Konfrontation zur IG Metall - und wirft der Industriegewerkschaft die Verbreitung von Falschinformationen, mangelnde Unterstützung des Betriebsrates und Mitgliederwerbung mit fragwürdigen Methoden vor. Das geht aus einem dem Tagesspiegel vorliegenden Brief des Tesla-Betriebsrates an die 8500-köpfige Belegschaft hervor. Die IG Metall hatte zuletzt die zu hohe Arbeitsbelastung im Schichtbetrieb und die Geheimhaltungspolitik beklagt. „So langsam reicht es uns aber“, reagiert nun der Tesla-Betriebsrat, der im Februar 2022 gewählt worden war, und auch auf IG-Metall-Mitglieder in seinen Reihen verweist. Man sei angetreten, bestmögliche Arbeitsplätze und Arbeistmöglichkeiten zu schaffen. „Damit geht selbstverständlich einher, dass wir intensive und harte Verhandlungen mit dem Arbeitgeber führen und dass uns von diesem auch ordentlicher Gegenwind entgegenbläst. Dass unsere Arbeit aber von der IG Metall schlecht geredet wird, ist für uns sehr befremdlich.“

IG Metall ringt um Mitglieder

Die sonst in der deutschen Autoindustrie dominierende IG Metall hat es nicht leicht, im Tesla-Werk Tritt zu fassen. Um auch hier den Flächentarifvertrag durchzusetzen, bräuchte sie genug Mitglieder, streikbereite. Und Elon Musk ist bekannt dafür, dass er nichts von Gewerkschaften hält. Bei der Betriebsratswahl hatte die arbeitgeberkooperative Liste „Gigavoice“ die meisten Sitze gewonnen. Im Gremium gebe es keine Fraktionen, keine Listen, so der Betriebsrat: Wer wo angetreten sei, spiele keine Rolle mehr: „Der Grund ist ziemlich simpel: Wir machen keine Politik.“ Konkret vorgeworfen wird der IG Metall etwa die „Anstiftung von Mitarbeiter*innen zu Aktionen während der Arbeitszeit“, ohne Hinweise, „dass dies nicht zulässig“ sei, dies arbeitsrechtliche Konsequenzen haben könne. Ein anderer Vorwurf ist das „Aushorchen von Interessierten im Büro Fangschleuse“ über Probleme im Werk, „anstatt Infos zu geben.“ Und wenn, dann seien die teilweise zu arbeitsrechtlichen Fragen wie Schichtmodelle und Arbeitszeiten „falsch“ gewesen. Zudem habe die IG Metall versucht, beim Betriebsrat die Zustimmung zu einer „vollkommen berechtigten Kündigung eines Gewerkschaftsmitglieds“ zu verhindern. Die Gründe seien allerdings „so eindeutig“ gewesen, „dass der Betriebsrat einstimmig beschlossen hat, der Kündigung zuzustimmen.“

Anscheinend erledigen wir unsere Aufgabe nicht so schlecht, wenn die Gewerkschaft zu solchen Mitteln der Mitgliederwerbung greift. Uns ist bewusst, dass in unserer Gigafactory noch nicht alles perfekt läuft und wir viele Baustellen haben. Für Politik und ‘Sandkastenspiele’ fehlt uns die Zeit und ehrlich gesagt auch die Lust.“ 

Tesla-Betriebsrat zur IG Metall.

Das Fazit: „Anscheinend erledigen wir unsere Aufgabe nicht so schlecht, wenn die Gewerkschaft zu solchen Mitteln der Mitgliederwerbung greift. Uns ist bewusst, dass in unserer Gigafactory noch nicht alles perfekt läuft und wir viele Baustellen haben“, so der Tesla-Betriebsrat. „Für Politik und ‘Sandkastenspiele’ fehlt uns die Zeit und ehrlich gesagt auch die Lust.“

GGG-Gewerkschaft von Marcel Luthe wittert Chance

Vor diesem Hintergrund wittert nun die junge, branchenübergreifende Good-Governence-Gewerkschaft (GGG), 2022 vom früheren Berliner FDP-Politiker Marcel Luthe geründet, der viele Jahre im Abgeordnetenhaus, jüngst Verfassungskläger nach dem Wahlpannendesaster war, und die nach eigenen Angaben seit vier Wochen mit Mitgliedern an der Gigafactory, eine Chance. Das Agieren der IG Metall sei befremdlich, sagte Luthe dieser Zeitung. „Nach jahrelangem Niedergang des Industriestandortes Deutschland ist hier kein Platz für Klassenkampf.“ Nötig sei Gewerkschaftsarbeit, die die Interessen der Belegschaft vertrete, dem Arbeitgeber kritisch, „aber nicht auf Krawall gebürstet begegnet.“ Er erinnerte an das Betriebsverfassungsgesetz, dass Arbeitgeber, Betriebsrat und Gewerkschaften zur Zusammenarbeit verpflichte.

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