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Ein Teilnehmer einer Bündnisinitiative protestiert vor der Müggelspreehalle.

© dpa/Patrick Pleul

Grünes Licht für US-Konzern: Gemeinde Grünheide stimmt für Erweiterung des Tesla-Werkes

Das Brandenburger Tesla-Werk kann um einen Güterbahnhof vergrößert werden. Nach monatelangen Konflikten machte das Ortsparlament dafür nun doch den Weg frei.

Taschenkontrollen am Eingang, Polizei vor der Tür, Pfiffe, Buhrufe und ein Fotoverbot drinnen: In Brandenburg hat das Gemeindeparlament von Grünheide in einer turbulenten Sitzung den Weg freigemacht, die Tesla-Fabrik nach Osten um 118 Hektar für einen Güterbahnhof zu erweitern und dafür 50 Hektar Wald zu roden.

Die mit Spannung erwartetet Abstimmung, bei der der umstrittene Bebauungsplan 60 und ein städtebaulicher Vertrag mit dem US-Elektroautobauer am Donnerstagabend beschlossen wurden, ging klarer aus als erwartet. Elf Vertreter stimmten für den B-Plan, es gab sechs Nein-Stimmen. Zwei Gemeindevertreter enthielten sich. Auf Antrag der AfD war es eine namentliche Abstimmung.

Tesla begrüßte den Beschluss. „Er schafft die planerischen Voraussetzungen für eine stärkere Nutzung der Schiene“, hieß es in einem Statement. „Damit kann der Lkw-Verkehr in der Region reduziert werden.“ Einen Termin, wann der Bahnhof fertig sein soll, nannte der Konzern nicht. „Es ist ein Teil der mittel- und langfristigen Planungen von Tesla.“

Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) verwies darauf, dass „die gewählten Repräsentanten im Zuge der Demonstrationen und teils gewaltvollen Proteste unter hohem öffentlichen Druck und großer Beobachtung“ standen: „Für mich ist das ein starkes Signal für die künftige Entwicklung Grünheides und Teslas.“

Bebauungsplan für Tesla wurde noch einmal verschärft

In letzter Minute hatte das Gemeindeparlament – einstimmig – vorher den Bebauungsplan 60 noch einmal verschärft. Auf Antrag des Bürgerbündnisses wurde noch verankert, dass der verbleibende Wald auf der Güterbahnhof-Fläche, also die nicht zur Rodung vorgesehenen 70 Hektar, im Landschaftsschutzgebiet und im Eigentum des Landesforstbetriebes bleiben müssen. Für die Freien Wähler hatte Vertreter Thomas Wötzel den Antrag damit begründet, gegen die „Salamitaktik von Tesla“ dieses Waldareal auch gegen spätere Rodungsoptionen zu sichern.

Wie immer, wenn Tesla auf der Tagesordnung der Volksvertretung des Ortes steht, war die Müggelspreehalle rappelvoll. Kein Stuhl blieb leer, viele mussten stehen oder saßen auf dem Boden. Nicht nur Einwohner und Protestierende waren im Saal, gut 200 Menschen. In den vorderen Reihen saßen Tesla-Manager Alexander Riederer und der Ordnungsbeigeordnete Sascha Gehm (CDU) des Kreises Oder-Spree. Aus Potsdam war Florian Engels angereist, Sprecher der Landesregierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

Gut 200 Menschen fanden sich zur Sitzung des Gemeindeparlaments in der Müggelspreehalle ein.

© dpa/Patrick Pleul

Die Sitzung offenbarte erneut, wie gespalten der 9000-Einwohner-Ort wegen der Ansiedlung des Tesla-Werkes ist. Die Atmosphäre war angespannt, schon zur Eröffnung, als Vorsteherin Pamela Eichmann (SPD) einen „friedlichen Verlauf“ bat – und dann kein einstimmiger Beschluss für die Zulässigkeit von Foto- und Filmaufnahmen zustande kam, die Berichterstattung damit eingeschränkt war. Unverständnis, Unmut bei fast allen.

Ein Bürger drohte den ehrenamtlichen Gemeindevertretern

Schon in der Einwohnerfragestunde, die immer vor der regulären Sitzung des Ortsparlamentes stattfindet, meldeten sich vor allem Tesla-Kritiker zu Wort. Ein Grünheider drohte den ehrenamtlichen Volksvertretern: „Wenn der Bebauungsplan beschlossen wird, kann ich versichern, dass Sie als Gemeindevertreter kein schönes Leben mehr haben werden.“ CDU-Gemeindevertreterin Anna Homeyer-Angerstein beklagte die bedrohliche und belastende Stimmung gegen Mandatsträger, die ihr demokratisches Abstimmungsrecht wahrnehmen wollen.

Ein Antrag der AfD, die Abstimmung abzusagen, war zu Beginn mit Mehrheit abgelehnt worden. Die örtliche AfD-Chefin, die Landtagsabgeordnete Kathleen Muxel, hatte auf das eindeutige Nein beim Referendum gegen die Erweiterung begründet: „Es ist ein Unding, das so kurz vor den Wahlen durchzuziehen.“

Proteste vor der Abstimmung über die Tesla-Erweiterung

Der Tag der Entscheidung in Grünheide war erneut von Protesten begleitet, die diesmal friedlich blieben. Letzte Woche hatten linksradikale Klimaaktivisten im Rahmen der Aktionstage gegen Tesla versucht, das Werk zu stürmen, was ein Großaufgebot der Polizei verhindert hatte. Es ist die einzige Fabrik des US-Elektroautobauers in Europa. Zu einer Kundgebung hatten sich vor der Halle rund fünfzig junge Aktivisten, zum Teil aus dem Tesla-Protestcamp der Initiative „Tesla den Hahn abdrehen“ und Umweltschützer eingefunden.

Bei Abstimmung über die Tesla-Erweiterung in Grünheide kam es zu Protesten.

© Thorsten Metzner/TSP

Die Polizei war mit etwa 50 Beamten vor Ort. Auf Transparenten wurde unter anderem auf das 62,1-Prozent-Ergebnis des Referendums hingewiesen, bei dem die Mehrheit der Grünheider eine Vergrößerung des Werkes kategorisch abgelehnt hatte. Michael Ganschow, Geschäftsführer der Grünen Liga in Brandenburg, beklagte den „Demokratieabbruch“ seit Beginn des Tesla-Projektes Ende 2019. „Man muss fragen, wie sehr Behörden, wie sehr Politik Einfluss genommen haben.“

Tesla hat damit die nächste Hürde genommen, sein Werk zur größten deutschen Automobilfabrik zu machen. Nachdem ein Referendum im Ort die ursprünglichen Pläne von Tesla mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit abgelehnt hatte, hatte der US-Konzern das Erweiterungs-Vorhaben notgedrungen abgespeckt, nämlich auf den der Bevölkerung vermittelbaren Güterbahnhof reduziert, vorher dort auch noch geplante Logistikflächen gestrichen. Statt 100 der 118 Hektar, wie ursprünglich geplant war, sollen noch 50 Hektar Wald gerodet werden. 70 Hektar des Waldes stehen bleiben.

Tesla argumentierte vor allem damit, dass über die Schienenanbindung des Werkes mit dem Güterbahnhof täglich 1900 LKW-Fahrten vermieden werden können, die sonst die Straßen der Region um Grünheide belasten würden. Aktuell sorgen die Tesla-Laster, die die Neufahrzeuge „Made in Grünheide“ zu einem 50 Kilometer entfernten Auslieferungslager auf dem früheren Militärflugplatz Neuhardenberg bringen, in der dortigen Region für Frust und Unmut.

Allerdings sind noch weitere Schritte nötig, um den Bahnhof tatsächlich bauen zu können. Das Areal gehört bisher dem Land Brandenburg, das erneut Wald verkaufen müsste, was politisch umstritten ist. Ein Teil liegt im Landschaftsschutzgebiet und müsste entwidmet werden. Und sicher muss das Waldgebiet wie bereits das Hauptgelände der Fabrik noch von Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg beräumt werden.

Parallel zum Güterbahnhof-Bebauungsplan will der US-Elektroautobauer auf dem bestehenden 300 Hektar großen Werkgelände am östlichen Berliner Ring die Kapazität auf eine Million Fahrzeuge pro Jahr verdoppeln. Zugelassen sind bisher 500.000 Fahrzeuge pro Jahr. Noch fährt die erst 2022 eröffnete Fabrik hoch. 2023, dem ersten vollen Produktionsjahr, liefen in Grünheide 200.172 Elektroautos des Model Y vom Band. Das Werk hat damit im ersten vollen Betriebsjahr knapp 40 Prozent der bisher genehmigten Kapazität erreicht.

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