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Landeshauptstadt: Potsdam feiert seine Pokalheldinnen

Morgen werden die Turbinen im Rathaus empfangen / Improvisierte Siegesfete in Drewitzer Hotel

Morgen werden die Turbinen im Rathaus empfangen / Improvisierte Siegesfete in Drewitzer Hotel Jann Jakobs konnte sich gar nicht satt sehen an der Anzeigetafel. Sie zeigte das so sehr Herbeigesehnte: 1. FFC Frankfurt - 1. FFC Turbine Potsdam 0:3. Der Oberbürgermeister, bisher eher Frauenfußball-Fan von Amts wegen, war schier aus dem Häuschen. Wie ein Rumpelstilzchen sprang er nur Sekunden nach dem Schlusspfiff am Sonnabendnachmittag über den Rasen im Berliner Olympiastadion, schwenkte die Potsdam-Fahne und die der Turbinen. Doch die Freude galt nicht nur dem überlegenen Sieg der jungen Potsdamerinnen, die schon als „ewige Zweite“ gehandelt wurden, und dem endlich von Erfolg gekrönten Jahrzehnte langen Engagement von Trainer Bernd Schröder – der Gewinn des DFB-Pokals ist seit der Wende der erste Titel für eine ostdeutsche Fußballmannschaft überhaupt. „Das war mehr als nur ein normales Pokalendspiel. Damit habt ihr den Ostdeutschen ein Stück Selbstbewusstsein wiedergegeben“, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck den Kickerinnen beim improvisierten Siegerempfang am Sonntagmorgen vor dem Drewitzer Hotel Ascot Bristol. Endlich habe sich die „jahrelange Aufbauarbeit“ mit einem Titel ausgezahlt, damit bekommen das aus der DDR übernommene Sportschulsystem Rückenwind, so Platzeck. In der Nacht zuvor hatten die Turbinen in dem Hotel bis in die Morgenstunden gefeiert. Immer wieder schallten die Gesänge der Spielerinnen durch die Räume, es wurde geschwatzt, gefachsimpelt, getanzt. Ein halbes Dutzend Fans des Männer-Pokalsiegers Werder Bremen feierte ausgelassen mit, denn sie übernachteten zufällig im selben Haus. Nur einen kleinen Zwischenfall gab es: Kurz vor eins lief „Turbine“ Jennifer Zietz plötzlich ganz aufgeregt durchs Hotel. „Wo ist der Pokal, habt ihr den Pokal gesehen?“ Doch der viel geküsste Pott blieb spurlos verschwunden – fast eine Viertelstunde lang. Dann endlich war die „Schuldige“ gefunden: Ersatzkeeperin Stephanie Ullrich hatte den Pokal unter ihre Sitzbank gestellt. Wieder aufgetaucht, wurde er flugs erneut mit Alkoholischem gefüllt. Trainer Schröder schmauchte währenddessen genüsslich eine Siegerzigarre, die Turbine-Vizepräsident Rolf Kutzmutz während einer Kuba-Reise persönlich von Fidel Castro überreicht bekommen hatte, und stellte später sogar seine Sangeskünste unter Beweis. Mit Inbrunst und textsicher intonierte Schröder den Jägerchor aus Webers „Freischütz“. Da war es früh um zwei, und gegen drei war nicht nur Torhüterin Nadine Angerer immer noch in Partylaune – obwohl es nur eine improvisierte Feier war. Aus Aberglaube hatten Verein und Stadt sich nicht getraut, vorab etwas zu planen: „Das haben wir zum letzten Saisonfinale gemacht, und es war ein schlechtes Omen“, so Jakobs. Denn die Turbinen verpassten die Meisterschaft, wurden „nur“ Zweiter. Gegen eine offizielle Fete sprach außerdem, dass die Pokal-Siegerinnen schon Sonntagfrüh zum gestrigen Auswärtsspiel in Saarbrücken aufbrechen mussten – das sie souverän mit 7:0 gewannen. Offiziell begrüßen wird Potsdam seine Pokalheldinnen am morgigen Mittwoch. Zur Sitzung der Stadtverordneten werden sie im Rathaus empfangen und sollen sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Die Begeisterung, die Turbines Pokalsieg vor 30 000 Zuschauern im Olympiastadion und 2,12 Millionen an den Fernsehschirmen ausgelöst hat, war in der Stadt trotzdem überall zu spüren: Bei der Pokalspiel-Übertragung auf einer Großleinwand im Babelsberger Waldschloss, zu der die SPD-Stadtverordnete Klara Geywitz alle Fans ohne Stadiontickets eingeladen hatte, lag man sich überglücklich in den Armen; beim Auftritt der Kickerinnen im ZDF-Sportstudio, das am Sonnabend live vom Sony-Center am Potsdamer Platz sendete, gab es viel Beifall der Zuschauer und sogar Turbine-Fahnen zu sehen. Und ein Potsdamer Busfahrer, der die Kickerinnen am Sonntag vor dem Hotel in Drewitz erblickte, schenkte ihnen schon mal ein Hupkonzert.Seiten 20 & 21

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