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Bild von 2018: Das Kiezbad am Stern wird gerade saniert

© Andreas Klaer

Sportförderung: Potsdamer Aufholjagd

In Potsdam wurde in den vergangenen Jahren viel in Spitzensport investiert. Nun gilt es, auch für den Breitensport aufzuholen, mahnen Kritiker an.

Potsdam - Erfüllt Potsdam in Sachen Breitensport den Verfassungsauftrag des Landes? Diese Frage stellt sich der Grünen-Stadtverordnete Andreas Menzel angesichts der geringen Zahl an Mädchen und Frauen, die in Vereinen Sport treiben. Denn nach einer aktuellen Statistik des brandenburgischen Sportministeriums sind gemessen an der Potsdamer Einwohnerzahl nur 10,8 Prozent Mädchen und Frauen in Sportvereinen gemeldet. Der Bundesdurchschnitt liegt bei knapp 24 Prozent. Auch die Zahl der Über-60-Jährigen in Sportvereinen ist in Potsdam mit zwölf Prozent gering. Bereits bei der ersten Potsdamer Breitensportkonferenz vor wenigen Wochen wurden in einer Analyse des Sportministeriums die Defizite bei der Beteiligung von Mädchen, Frauen und Senioren am Potsdamer Vereinssport deutlich gemacht. „Dies erfordert eine Überprüfung der bisherigen Prioritätensetzung in der Förderpraxis“, wurde als Konsequenz angemahnt. Zudem wurde auf die verfassungsrechtliche

Ausgewogenheit zwischen Spitzen- und Breitensport bei der Sportförderung hingewiesen. Ein deutlicher Wink. Bei allen – nachvollziehbaren und richtigen – Investitionen und Zuschüssen für den Spitzensport in den vergangenen Jahren: Bei der Förderung ist die Diskrepanz zwischen Spitzen- und Breitensport groß. Für den Stadtverordneten Menzel ist das Ungleichgewicht so immens, dass er gar einen Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichheit vermutet. „Ich überlege, eine Verfassungsbeschwerde einzulegen“, erklärte Menzel gegenüber den PNN.

Bei baulichen Investitionen wird die Dysbalance deutlich: In die leistungssportliche Infrastruktur wurde im vergangenen Jahrzehnt mehr als doppelt so viel investiert wir in Schul- und Breitensportanlagen. Die Stadt hat zugegriffen, als ihr Bund und Land Mittel aus Förderprogrammen anboten: Rund 47 Millionen Euro wurden für die Sanierung des Karl-Liebknecht-Stadions inklusive Flutlic<SB190,65,140>htanlage sowie für den Sportpark am Luftschiffhafen mit der neuen Mehrzweckhalle ausgegeben. Beides sind vornehmlich Anlagen für Profi- und Leistungssport. Dem gegenüber stehen rund 20 Millionen Euro Investitionen für den Freizeitsport.

In einem vor zehn Jahren erstellten Sportentwicklungsplan mit Prioritäten für Sanierung und Neubau von Sport- und Schulsporthallen sowie Sportplätzen wurde ein geschätzter Investitionsbedarf von rund 21 Millionen Euro ermittelt. Tatsächlich investiert wurden bis heute rund 14,1 Millionen Euro plus weitere 6,1 Millionen Euro für Maßnahmen, die nicht auf der damaligen Prioritätenliste standen. Für Hallen- und Strandbäder wurde ein Investitionsbedarf von neun Millionen Euro ermittelt. Investiert wurden bislang rund lediglich vier Millionen Euro – vor dem Hintergrund, dass Schwimmen laut einer wissenschaftlichen Umfrage die Lieblingssportart der Potsdamer ist.

Der deutliche Auftrag, der von der Breitensportkonferenz an die Stadt formuliert wurde, ist daher klar: Es bedarf jetzt eines Ausgleiches oder einer Annäherung bei der Förderung von Breiten- und Spitzensport. Denn bei allem Stolz auf olympische Medaillen und Präsenz auf nationalem und internationalem Parkett: Das ist nur eine Seite der Sportstadt Potsdam. Auf der anderen Seite findet sich Potsdam unter 402 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten auf dem 352. Platz wieder, wenn es um den Indikator geht, wie viel Jugendliche unter 18 Jahren in einem Sportverein aktiv sind. Auch wenn die Stadt in dem bundesweiten Ranking um Familienfreundlichkeit im aktuellen Familienatlas als „Top-Region“ geführt wird: In Sachen Sport steht sie schlecht da – in bester märkischer Gesellschaft: Auf den letzten 15 Plätzen in dieser Kategorie sind zwölf Landkreise aus Brandenburg.

Dabei wird vom Wildpark bis zu den Ravensbergen, vom Kirchsteigfeld bis zur Bornimer Feldflur ausgiebig Sport getrieben. Nach einer Erhebung des Sportpädagogischen Institutes der Universität Potsdam unter Leitung von Jürgen Rode sind fast 85 Prozent der Potsdamer in Bewegung, wobei auch Baden, Spaziergänge und Radfahren in das Spektrum einflossen. Doch auch wenn es heute mehr Sportstätten gibt als vor zwölf Jahren: 65 Sporthallen und 49 Sportplätze reichen nicht aus. Zudem weist jede dritte Sportstätte schwere Schäden und einen hohen Sanierungsbedarf auf. Aus dem Mix von Einwohnerzuwachs, Sportstättenmanko und hohem Aktivpotenzial der Potsdamer diagnostiziert Sportwissenschaftler Rode ein akutes Defizit an Sportflächen: Es braucht 17 weitere Sporthallen und ein Dutzend neue Fußballplätze, um laut Rode perspektivisch den Bedarf des Schul-, Vereins- und privat organisierten Sports zu decken.

Bei Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) ist das Zuspiel angekommen: „Das wird eine enorme Herausforderung“, sagte er am Samstag auf dem 15. Potsdamer Stadtsportball. Es sei jetzt Aufgabe der Stadt, Strategien zu entwickeln, wie nötige Flächenpotenziale entwickelt und Investitionen finanziert werden können.

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