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Kultur: Aktuelle Pointen schwach

Mozart und Tschaikowski in der Erlöserkirche

Auch das heute so verbreitete „Casting“ ist keine neue Erfindung. Wie es früher dabei zugegangen ist, zeigt die Mini-Oper „Der Schauspieldirektor“ von Wolfgang Amadeus Mozart, die vom Neuen Kammerorchester in der Erlöserkirche aufgeführt wurde. Den Taktstock schwang wie gewohnt Ud Joffe, den Stift hatte Christian Seidel für eine Neuversion mit „lokalen Anspielungen“ geführt. Rückblickend beglückwünschte der Vorsitzende des Trägervereins das Neue Kammerorchester zum fünfjährigen Bestehen und bedankte sich bei allen Förderern, allen voran bei der Gemeinde der Erlöserkirche für den kontinuierlichen Spielort.

Mozarts „Gelegenheitsstück in einem Aufzug“ passte mehr oder weniger trefflich zur aktuellen Gelegenheit. Hans-Jochen Röhrig unterhielt als Erzähler genüsslich, obwohl die versprochenen aktuellen Pointen recht schwach ausfielen. Die Frage „Hat diese Stadt ein Opernhaus?“ war noch die deutlichste. Dafür konkurrieren Madame Herz (brillant: Christina Rümann) und Mademoiselle Silberklang (Kirschholz-Ton: Netta Or) umso verführerischer in höchsten Tönen und reichen Koloraturen um die Gunst des Schauspieldirektors James Creswell), der angesichts von soviel weiblicher Ambition geschlagen auf das rote Sofa sinkt - eine selten klare Geste in der sonst eher braven Fassung. Dabei gipfelt der Wettstreit um das Thema, wer die „erste Sängerin“ sei, ohnehin in einem versöhnlichen Quartett über Einigkeit, Bescheidenheit und Künstlerehre. Den Herren hatte man mangels Originalstücken zwei Bravourarien aus anderen Mozartopern übertragen. Als Ferrando aus „Cosí fan tutte“ singt Volker Arndt mit kerniger Stimme, während James Creswell als Osmin aus dem „Serail“ mit wohl abgerundeter, entspannter Artikulation triumphiert. Fazit: schöne Musik- und Gesangskunst, doch etwas mehr Witz hätte nicht geschadet.

Sehr weit weg von Mozartscher Leichtigkeit führt die anschließende Symphonie Nr. 4 von Peter Tschaikowski. Ob dessen Verehrung für Mozart der Grund für die Wahl gewesen ist? Sollte mit den schweren Schicksals- und Seelenklängen der anschließend offerierte Weingenuss gesteigert werden? Oder ging es nur darum, möglichst viele ehemalige Musiker zusammenzubringen? In der Tat verlangt das opulente Opus des russischen Spätsymphonikers eine riesige Besetzung, die von der Tuba bis zu Triangel und Piccoloflöte geht. Unter der Leitung von Ud Joffe beweist das solcher Art aufgestockte Neue Kammerorchester, mit welcher Konzentration, Virtuosität und Präzision auch musikalische Herausforderungen wie diese gemeistert werden. Herrlich „verschleppte“ Walzerrhythmen, herausragende Holzbläser, allen voran die Oboe, aufblühende Streicher betören die Zuhörer. Springlebendig wird im originellen Scherzo über die Saiten gehupft und gesprungen. Nur beim Schlusssatz Allegro con fuoco wird der Zusatz etwas zu wörtlich genommen: durch schäumende Streicherwogen peitschen Beckenschläge, tuten dunkle Bläser, blitzt die Triangel. Ein höllisches Donnerwetter - für die Feier zum Fünfjährigen etwas heftig, aber dennoch viel versprechend für die weitere Zukunft. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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