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Kultur: Der Wirklichkeit auf den Grund gehen

Das Nur-Ästhetische ist ihm unmöglich: Zum siebzigsten Geburtstag des Potsdamer Malers Peter Rohn

Das Nur-Ästhetische ist ihm unmöglich: Zum siebzigsten Geburtstag des Potsdamer Malers Peter Rohn Von Gerhard Hartmann Leicht macht er es sich weiß Gott nicht mit seinen Bildern, der Peter Rohn. Anders als einer der Helden des von ihm nicht von ungefähr geschätzten Nikolai Gogol gibt er niemals Grundsätze auf, um sich den Wünschen zahlender Kunden oder einer gerade in Mode gekommenen Richtung zu konformieren, die Aufmerksamkeit und Aufträge versprechen mag: Nein, er geht unbeirrbar den Weg, den er für sich als den richtigen erkannt hat: den sichtbaren Dingen auf den Grund zu gehen, das, was sich ihm als wahr darstellt, auf die Leinwand zu bringen. Dieses war so in den für unangepasste Künstler schwierigen Zeiten der DDR und ist es auch heute im ästhetischen Wirrwarr unserer pluralistischen Gesellschaft, wo einer sich „verkaufen“ muss, will er nicht an den Rand der Existenz gedrückt werden. Und so geht es ihm am Ende nicht wie dem Gogolschen Maler, der zu spät erkennt, dass er dem Teufel die Hand gereicht hat, sein Talent durch gedankenlose Anpassung an Erwünschtes im Tanz um das Goldene Kalb verschleudert und sein Leben damit vertan hat. Mit seinen siebzig Jahren hat Peter Rohn zwar keine Reichtümer, aber den Ruf eines unbestechlichen Chronisten seines Potsdamer Lebensraums erworben und ist seit langem ein geschätztes und geachtetes Mitglied nicht nur der Potsdamer Malergilde sondern auch der Kunstszene der Stadt. Für kunstsinnige Potsdamer ist sein Name ein Begriff. Kennen gelernt habe ich den am 4. Januar 1934 in Dresden geborenen Maler Ende der sechziger Jahre. Da war er bereits, nachdem er von 1953 bis 1958 an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst und weitere zwei Jahre an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden studiert hatte, seit etwa zehn Jahren als freischaffender Maler in Potsdam und ernährte sich mehr schlecht als recht von gelegentlichen Aufträgen. Um die Zeit, da ich mit ihm bekannt wurde, hatte er gerade seinen ersten öffentlichen Durchbruch: Die Stadt Potsdam ermöglichte ihm im Frühjahr 1968 eine erste größere Ausstellung mit 45 Tafelbildern im Alten Rathaus, die ihn mit einem Schlag bekannt machte. Doch schon ein Jahr später wurde ein größeres Auftragswerk der Stadt, das „Flugschiff“, wahrscheinlich wegen „ideologischer Bedenken“ wieder zurückgezogen. Resigniert vermerkt Rohn in einer für sich geschriebenen kurzen Lebensbilanz zu Ostern 1970: „Wir werden es in Zukunft nicht leichter haben, da der Einfluss des Geldes zunimmt, das Geistige wenig Macht hat und Humor und Frohsinn selten geworden sind.“ Das ist nicht weiter zu kommentieren. Erster Besuch Ich erinnere mich noch recht gut an meinen ersten Besuch bei ihm in seiner Wohnung in der Carl-von-Ossietzki-Straße, wo er heute noch lebt und arbeitet. Ich war mit unserem gemeinsamen langjährigen Freund, dem im vorigen Jahr verstorbenen Komponisten Gerhard Rosenfeld, zu einem Vortrag des damaligen musikalischen Oberleiters des Hans-Otto-Theaters, Peter Gülke, über mittelalterliche Musik eingeladen. Es hatten sich etwa zwei Dutzend Zuhörer, alles Freunde und Bekannte des Malers, eingefunden. Ich besuchte später noch ähnliche Veranstaltungen, zu denen der Maler kompetente Wissenschaftler und Künstler als Referenten eingeladen hatte, und genoss die ungezwungene , in der öffentlichen DDR nicht mehr anzutreffende Art miteinander zu reden. Bei solchen Anlässen pflegte er dann auch seine Bilder zu zeigen und detailliert zu kommentieren. Fragt man ihn nach prägenden Vorbildern, dann wird er Max Beckmann nennen, Otto Dix und Karl Hofer. Begründen wird er dies nicht allein mit ästhetischen Argumenten, mit der Erklärung spezifischer, ihn fesselnder und damit die eigene Arbeit inspirierender Malweisen zur Bewältigung des Sujets. Was ihn darüber hinaus vor allem anzog und tief beeindruckte waren ihre Sujets, die innere Wahrhaftigkeit der von ihnen dargestellten Wirklichkeit, die Deutung von Wesenszügen ihres gesellschaftlichen Umfelds, ermöglicht durch dessen kritische Durchdringung. Beckmann habe „schon 1912/13 den Untergang der Titanic gemalt als Menetekel und jenseits der damals allgemein üblichen Technik-Bewunderung“, Dix später den Ersten Weltkrieg in seiner Menschen vernichtenden und entwürdigenden Entsetzlichkeit ganz konkret körperlich in den Schützengrabenbildern gezeigt. Aber er spricht auch von den Alten Meistern, die er, als ihm die Mauer den Zugang zu den Museen des Westens versperrte, zum zweiten Male für sich entdeckte, und bezeichnet den Lucas Cranachschen Katharinen-Altar in seiner Darstellung des Martyriums der Heiligen als eines der größten Bilder in der Dresdener Galerie: „Die unausweichlichen Wahrheiten dieser Bilder, die meines Erachtens zum Wichtigsten für die europäische Erkenntnisfähigkeit gehören, haben sich später wieder gegen meine Freuden am ,Kosmischen“ (bei Klee oder anderen Modernen) durchgesetzt.“ Dennoch hat ihn Klee nachhaltig beeindruckt. Als junger Mensch studiert er dessen grundsätzliche Abhandlung „Das Bildnerische Denken“ die für ihn eine Art ästhetischer Katechismus des Malens wird und sich in seinen Bildern manifestiert, ohne je den Versuch zu unternehmen wie Klee zu malen. In den 70er und frühen 80er Jahren wandte er sich zunehmend der Landschaftsmalerei zu. Das hatte seine Gründe, denn der von der DDR propagierte sozialistische Realismus mit seiner heilen scheinoptimistischen, geschönten und geglätteten Sicht auf die Dinge konnte seine Sache nicht sein. Rohn entzog sich dem, ging in die Natur, malte ländliche Motive, aber beileibe keine Wald- und Wiesen-Bilder. Was ihn interessierte war die Gefährdung der Natur im 20. Jahrhundert, aber im Sinne der Brechtschen Maxime von der Konkretheit der Wahrheit ging es um die Natur wie sie ihm in der DDR entgegentrat. Und so gab es neben weniger eigenwilligen Aquarellen, in denen die Freude an der Schönheit der Schöpfung vorherrscht, und solche malt er auch noch heute, die kaputte Umwelt: die kranken Bäume oder den überall achtlos deponierten Zivilisationsmüll. Sie fanden bei der offiziösen Kritik kaum Fürsprecher. Meist versteckte sich generelle Ablehnung des Sujets hinter der Kritik angeblicher künstlerischer Mängel. Doch erlaubte man ihm Ausstellungen in Berlin, Leipzig und Rostock und 1987, als sich der kulturpolitische Druck etwas gelockert hatte, auch in Budapest und Esztergom. Einige Bilder hingen auch auf Ausstellungen in Prag (1975), Minsk (1982) und Paris (1986). 1974 durfte dann endlich auch das phantasievolle metallene „Flugschiff“ von dem Kunstschmied Ch. Rohl am ehemaligen Haus des Reisens am Platz der Einheit angebracht werden, das hoffentlich, wenn der hässliche Plattenbau einmal abgerissen wird, einen würdigen Platz erhält. Die wichtigste seiner großen öffentlichen Arbeiten ist fraglos das die ganze Stirnwand des Wohnblocks Zeppelinstraße /Am Kiewitt einnehmende Mosaikbild eines an Adam und Eva erinnernden jungen Paares, dessen Konzeption er 1981 gegen hartnäckigen Widerstand der Auftraggeber durchsetzte: „Keine Pioniere, keine GST, keine Zeltlager oder Schachspieler oder Sportler. Nein, Adam (im Regen) und Eva (leicht lasziv) im modischen Kleid.“ In seiner von Heiterkeit und schöner Gelassenheit durchdrungenen Stimmung, der Harmonie von Farben und Komposition sucht es für mich in der modernen großflächigen Mosaikkunst in Deutschland seinesgleichen und ist ein Geheimtipp für Touristen. Heute ist Peter Rohn wieder viel mit dem Fahrrad oder zu Fuß in Potsdam und Umgebung unterwegs. Vor einiger Zeit habe ich ihn am Bahnhof Charlottenhof arbeiten sehen; ein paar Leute blieben stehen und blickten ihm über die Schulter. „Meistens weiß ich schon, was sie fragen werden“, lächelt er. „Sie wollen wissen, was ich für einen Preis nehme, und wenn ich antworte, ich verkaufe erst, wenn ein Jahr vorüber ist, wundern sie sich.“ Das Ergebnis, ein sehr schönes Aquarell mit dem verrotteten Kino Charlott und dem neuen Eisenbahnbrückenbogen, habe ich dann auf seiner Ausstellung „Potsdamer Sommer“ in der Gutenbergstraße wieder gesehen, neben Ansichten von dörflichen Motiven und freundlichen Landschaftsbildern, sympathisch unprätentiös gemalt , aber mit sicherem Blick für farbliche und kompositorische Stimmigkeit; daneben abgewrackte Autos – ein öfter bei ihm anzutreffendes Symbol der Wegwerfgesellschaft.“ Gespenstische Verlassenheit Ein Studienaufenthalt führt Rohn 1999 ins Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf, wo er die alten Bauerngehöfte der Umgebung in Studien festhält. Im Kontrast dazu der in schrillen Farben gehaltene „Angel Snack“- Kiosk (Berlin) und, sehr typisch für ihn, das „Paradiesgärtlein“, eine von aufragenden, finsteren Industrieruinen dominierte Szenerie, inmitten derer ein paar winzige Menschen mit Resten von Baumaterialien einen Garten umzäunt haben, in dem Blumen stehen – ein kümmerliches Refugium der Schönheit. Gespenstische Verlassenheit strahlt auch der „Pommes Bus“ aus, eine im dunstverhangenen Niemandsland angesiedelte, zum Imbiss umfunktionierte Busleiche. Besonders eindringlich ist das Ölgemälde „Busy“ (1999), eine hohe mit überlebensgroßen Graffiti und einem Werbeposter mit obligatem Frauenkopf „verzierte“ Mauer hinter einer öden Straße mit Autos, darüber Eisenbahnbrücken, dazwischen wie verloren ein Mensch auf einem Fahrrad – trostloses Bild geschäftiger Leere. „Busy ist authentisch“, erklärt Rohn: Gesprayt an der Berliner York-Straße. „Man kann sich keinen Spray-Spruch ausdenken. Das wäre lächerlich“, sagt er. Im Mai soll Peter Rohn eine Austellung zum Thema Sanssouci in den Römischen Bädern haben. Ihn, der nur wenige Schritte bis zum Park gehen muss, hat diese in den Zeiten der preußischen Könige geschaffene kunstvolle Welt von Landschaft und Architektur niemals losgelassen, und so gibt es zahlreiche Gemälde, die man gern einmal zusammen sieht. Besonders gespannt bin ich aber auf die Fotografien, von denen ich schon vor vielen Jahren beeindruckt war. Rohn ist ein ausgezeichneter Fotograf mit sicherem Blick für das charakteristische Detail, er hält vieles fest, an dem unsereiner achtlos vorüber geht und zeichnet mit der Akribie des Chronisten Tatbestände auf. Vieles davon existiert schon nicht mehr, seine „Wahrheit“ ist schon historisch geworden. Manch einer wird sich an die kleine Ausstellung von Fotografien des heute restaurierten Belvederes auf dem Pfingstberg erinnern. Sie war vor einigen Jahren im Pomonatempel zu sehen und dokumentiert Details des zu DDR-Zeiten verkommenen Architekturensembles. Die damals gemachten Fotos sind kleine Kunstwerke. Peter Rohn ist ein vielseitig interessierter Mensch, der nicht im Elfenbeinturm seiner Kunst wohnt. Er könnte nicht leben und malen, nähme er nicht teil an der kulturellen Kommunikation. So sieht man ihn auf Ausstellungen, bei literarischen Veranstaltungen, trifft ihn im Filmmuseum, auf kulturpolitischen Diskussionen und in Konzerten. Die Musik spielt seit langem eine wichtige stimulierende Rolle für den Künstler. Wichtig ist ihm Transparenz. Deshalb hört er gern Kammermusik, besonders Mozart und die klaren Streichquartette von Haydn. Das ist ihm lieber als „bewölkte“ Sinfonien. In der Moderne sind seine Favoriten Bartók, Strawinsky, Prokofjew und Schostakowitsch. „ Beziehungen zur Musik sind immer gewesen. In Zeiten, in denen ich gut und viel hören konnte, war ich auch produktiv. Wenn ich nervös bin, kann ich weder hören noch malen.“ Nun ist er siebzig geworden, doch weit davon entfernt, sich zur Ruhe zu setzen oder gar zu resignieren. Ihn interessiert kaum noch, welcher Richtung man ihn zurechnet; er malt, was er für richtig hält, sein Gegenstand ist die Wirklichkeit, der er unermüdlich auf den Grund zu gehen weiter versuchen wird; und so wird es bleiben. Sicher werden wir noch eine ganze Reihe interessanter und schöner Werke zu erwarten haben. Dafür wünschen wir ihm Glück.

Gerhard Hartmann

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