zum Hauptinhalt

Kultur: Die Unverstandene

In der DDR hat sie Kinderfilme gemacht. Heute schreibt sie Hörbücher und Filmgeschichten – nur leider findet sie dafür keine Finanziers. Ein Gespräch mit Hannelore Unterberg zu ihrem 65. Geburtstag

Am Anfang hat noch alles geklappt. Sie kam zwar nicht zum Theater, wie zuerst geplant, aber dafür über viele Umwege glücklich zur DEFA, war als Regieassistentin bei „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ dabei, schrieb und inszenierte als Regisseurin Drehbuchgeschichten für Kinder. Dann kam die Wende, ungefähr in der Mitte der Lebensgeschichte der Hannelore Unterberg. Und mit ihr eine Zeit, in der vieles anders wurde.

Nicht, dass sie heute weniger einfallsreich wäre als früher, weniger Spaß am Schreiben und Filmemachen hätte oder weniger produktiv wäre. Nach wie vor sitzt sie täglich an ihrem verschnörkelten Schreibtisch aus Holz, liest sich aus Büchern und Zeitungen Hintergrundwissen an und tippt Geschichten in ihren Laptop. Nur verkaufen sich ihre Drehbücher nicht gut im neuen Deutschland. „Vielleicht sind sie zu unspektakulär“, sagt die Regisseurin. Sie hat Streuselkuchen auf den Tisch gestellt und Kaffee. Für eine gemütliche Stimmung. Wenn sie vom Filmemachen und von früher erzählt, hat sie keine Zeit für Essen und Trinken.

Im Dezember ist Hannelore Unterberg 65 Jahre alt geworden. Sie sieht jünger aus. Das blondweiße, lange Haar ist zu einem Zopf gebunden, ihr Gesicht lächelt offen und neugierig, sie trägt schlicht-elegantes Schwarz. Zur Jubiläumsfeier im Filmmuseum am Sonntag hat sie ihren Debütfilm „Konzert für Bratpfanne und Orchester“ (1976) ausgesucht. Ihr Sohn Tobias spielt die Hauptrolle, deshalb mag sie den Film so sehr. Einen Lieblingsfilm hat sie nicht. „Das ist immer der gewesen, den ich gerade gedreht habe“. Sie legt eine Mappe auf den Tisch mit den gesammelten Artikeln zu den Filmen. Die Mappe ist dick. Sie hat bei der DEFA fast in jedem Jahr eine neue Produktion inszeniert, Spielfilme und auch mal ein Hörspiel. „Ein Mädchen im Schnee“, „Isabel auf der Treppe“, „Der Junge mit dem großen schwarzen Hund“. „Der letzte Winter“ (1991) war ihr letzter DEFA-Film.

Danach sah es spärlicher aus mit den Aufträgen. Für das ZDF hat sie Beiträge für die inzwischen eingestellte Kinderserie „Karfunkel“ gemacht. Sie hat Drehbücher geschrieben: über ein Kind, das als Kriegsflüchtling nach Deutschland kommt, über den Tod eines Zigeuners, über Nachwendeschicksale in Potsdam. Geschichten, die sie bewegt und ihr Spaß gemacht haben und die vor allem auch Thema sind in der Gesellschaft. Trotzdem hat sich niemand gefunden, der die Skripte finanzieren wollte. Sie zuckt mit den Schultern. Die Nachwendefilmwelt ist ihr fremd geblieben. Überhaupt wirkt sie etwas fremd in der neuen Welt, die mittlerweile gar nicht mehr so neu ist. Die DDR, Erfahrungen mit der Stasi, von der sie beschattet wurde, haben ihre Wunden hinterlassen. Mehr will sie dazu nicht sagen.

Wenig, was ihr heute gefällt, wenn sie mal den Fernseher anstellt. Sendungen wie die Teletabis findet sie grausig. „Man begibt sich auf das scheinbare Niveau der Kinder, dabei veralbert man sie mit solchen Filmen.“ Argumente wie „Aber die Kinder sind begeistert“, zählen nicht für sie. „Wer immer Tütensuppe isst, kommt auch nicht darauf, sich ein schmackhaftes Gericht zuzubereiten. Er kennt nichts anderes“, sagt sie. Um auf einen Film zu kommen, den sie gut findet, muss sie nachdenken. Dann fällt ihr die Serie „Siebenstein“mit dem Raben ein. Da gibt es Trick, Fantasie, Kinder lernen neue Dinge kennen. Das gefällt ihr. Das hat etwas mit ihrer Art von Filmemachen zu tun. Nicht, dass sie sich wünscht, dass Kinderfilme eine Art Schulfernsehen sind, „Konzert für Bratpfanne“ ist aus heutiger Sicht wohl zu didaktisch, sagt sie. Aber ihr fehlt es im Gegenwartsfilm oft an Gehalt, daran, dass Kinder sensibel gemacht werden für die Welt und ihnen die schönen Dinge des Lebens vorgestellt werden. Damit meint sie alles andere als Harmoniefilme. Konflikte gehören für sie dazu. Sie denkt dabei eher an das Schöne, das auf der anderen Seite der Konflikte steht und dann doch immer wieder zum Leben verführt und froh macht. Ihre Filme sollen märchenhaft sein, mit verzaubernder Musik und einfühlsamen Geschichten, die fesseln – ohne dass mit großen Sensationen Spannung geschaffen werden muss. Solche Filme würde sie machen. Wenn man sie lassen würde.

Früher hat man sie gelassen. Nur einmal ist es schief gelaufen. Bei „Ein Mädchen im Schnee“ (1978). Der Film geht ihr nicht aus dem Kopf. Niemand bei der DEFA hat bei ihrem zweiten Werk verstanden, was sie erzählen wollte, und zum Schluss ist dann ein ganz anderer Film entstanden, als sie sich vorgestellt hat. Es ging um einen verliebten Jungen, der sich nicht traut, sein Mädchen anzusprechen, und sich ein Schneemädchen ausdenkt. Das sollte aber nicht aus Schnee sein, wie hinterher im Film, sondern immateriell und nur aus dem kalten Weiß hervorgehen. Am liebsten würde die Regisseurin den Film heute noch mal neu machen. Aber das ist mehr eine Idee. Sie arbeitet an anderen Projekten. Für Kinder. Das liegt ihr. Mit Kindern konnte sie schon immer gut umgehen, vor der Filmzeit hat sie als Kindergärtnerin gearbeitet.

Zur Zeit tippt sie ein Mozarthörspiel in ihren Laptop. Sicher huscht ihr ein Schmunzeln übers Gesicht, freut sie sich mit, wenn sie sich die feinsinnigen Scherze und die unrealistischen Zaubereien einfallen lässt, die ihre Geschichten so leicht machen sollen. Dass ihr Text wieder nur Papier bleiben könnte, schiebt sie weit weg. Sie ist wie ein Stehaufmännchen. Jedes Projekt ist ein Neuanfang.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false