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Kultur: Exotische Sinnlichkeit im Scherenschnitt

Jana Wachsmuth zeigt im Haus der Begegnung ihre Arbeiten aus und auf Papier: Es ist ihre erste Ausstellung

Jana Wachsmuth zeigt im Haus der Begegnung ihre Arbeiten aus und auf Papier: Es ist ihre erste Ausstellung „Erst der lernt die Schönheit des Lebens schätzen, dem die Abgründe des Vergänglichen die Augen geöffnet haben.“ Jana Wachsmuth tauchte sehr tief in menschliche Abgründe ein, die sie selbst zu erdrücken drohten. Die 34-jährige Berlinerin hat die Notbremse gezogen, ist in die Kunst „geflüchtet“. Zehn Jahre pflegte sie alte, kranke und sterbende Menschen, bis sie es nicht mehr aushielt. „Ich bin aus dem Beruf ausgestiegen und zur Zeit arbeitslos.“ Täglich fuhr sie zu ihren Patienten: einsame, alte Menschen, die auf sie warteten, um ein paar Worte loszuwerden. „Doch diese in mich gesetzten Hoffnungen konnte ich nicht erfüllen. Durch den enormen Zeitdruck in der Altenpflege kann man die Menschen nur noch abfertigen. Das stellte mich seelisch total unter Druck. Bis die eigene Gesundheit nicht mehr mitspielte.“ Wer Jana Wachsmuths Arbeiten auf und aus Papier im Haus der Begegnung betrachtet, wird diese Seelenpein nicht erahnen. Ihre Kunstwerke zelebrieren die Schönheit. Auf eine sehr sinnliche, weibliche Art fängt sie den Reichtum der orientalischen Kultur ein. In der selten gewordenen Technik des Scherenschnitts begegnen dem Betrachter erotische Frauen mit üppigen Rundungen, die sich von floraler Finesse umgeben, wohlig auf dem Diwan ausstrecken, stolz zum Flamenco auftanzen oder sich in einem Bad voller Seerosen kühlen. Ihre Frauen zeigen aber auch andere Gesichter: wehrhaft mit Dolch oder verletzlich-bedroht, von wildem Schlangengetier in die Enge getrieben. Mit größter Akribie führte sie bei diesen kleinen „Geschichten“ die Schere, zauberte ein Gespinst feinster, ineinander verwobener Linien, die das Flair von Tausendundeiner Nacht herauf beschwören. Mit feinsinnig-ästhetischem Gespür fängt die Freizeitkünstlerin auch Liebesakte zwischen Mann und Frau ein – zart und grazil und auf einfache Formen reduziert. Immer wieder reist die im sächsischen Tharandt aufgewachsene Jana Wachsmuth in den Nahen Osten: nach Israel, Ägypten oder in den Libanon, wo sie sich von den Menschen ebenso fasziniert zeigt wie von dem Baustil der Paläste und Moscheen. „Manchmal sauge ich die Schönheit des Moments so tief in mich ein, dass ich meine, mein Leben lang hieraus schöpfen zu können.“ Jana Wachsmuths Vita weist bereits viele Facetten auf: Sie absolvierte die Lehre zur Finanzkauffrau, schlug sich danach als Betreuerin mehrfach behinderter Kinder, Brötchenverkäuferin, Fabrikarbeiterin und Tellerwäscherin durch, bis sie schließlich über Ungarn und Österreich die Flucht in die BRD wagte. Dort ließ sie sich 1989 zur Krankenschwester ausbilden. Die Kunst war indes immer ihr treuer Wegbegleiter. „Schon als Kind malte, zeichnete und musizierte ich gern.“ Der Zufall trieb sie schließlich in die Arme des Scherenschnitts. „Ich hatte einen schwarzen Fotokarton vor mir liegen und grübelte, was ich mit ihm anfangen könnte.“ Schließlich schnitt sie Blumen heraus. Dieser spielerische Moment verdichtete sich mehr und mehr. „Nicht zuletzt, weil diese Art des Gestaltens finanziell weitaus unaufwändiger ist als Öl und Aquarell.“ Neben der Schere greift Jana Wachsmuth immer wieder zu den Buntstiften, auch davon erzählt ihre erste Ausstellung. Diese Arbeiten in fröhlichen Farben zeigen sehr naturalistisch einen überquellenden Früchteteller, stilisierte Zitronen auf quadratischen Flächen, feurig-rote Hibiskusblüten und auch eine Pieta. Noch sind diese Zeichnungen recht flächig und in erster Linie dekorativ. Und auch die Künstlerin selbst bezeichnet sie heute eher als banal. So wird es in Zukunft wohl vor allem der Scherenschnitt sein, der sie weiter begleitet. Zu kaufen sind ihre Arbeiten noch nicht: „Ich wollte mit dieser Offerte erst einmal zeigen, dass es mich gibt. Es fällt mir schwer, mich von meinem Werken zu trennen. Aber so eine Schau inspiriert auch sehr, weiter zu machen“, der Welt die Schönheit abzutrotzen. Heidi Jäger Die Ausstellung „Einschnitte“, Arbeiten aus und auf Papier, von Jana Wachsmuth ist bis zum 5. Februar, Mo bis Do 9 bis 17 Uhr, Fr 9 bis 13 Uhr im Haus der Begegnung zu sehen, Gutenbergstr. 100-102.

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