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Kultur: Farbgewitter

Detlef Kappeler stellt im Kunstraum Potsdam seine neuesten, in Spanien entstandenen Bilder aus

Als wäre das Meer auf dieses Bild gesprungen. Oder der Wind dagegen angerannt. Oder eine der vielen Möwen hätte im Sturzflug mit den Flügeln die Farben verwischt.

Riesenvögel nennt Detlef Kappeler die Möwen, die in Schwärmen an der spanischen Nordwestküste toben und einen solchen Höllenlärm machen, dass der Mensch darin fast untergeht. Kappeler breitet die Arme aus, um die Spannbreite der Flügel zu zeigen. Er rudert mit den Armen durch die Luft, um wenigstens anzudeuten, wie die Naturgewalten an der Costa da Morte, der Küste des Todes, wüten können. In diesem Moment ist der Maler Kappeler selbst eines seiner Bilder: Der Mensch, der zu verstehen versucht, was ihn antreibt und dabei immer wieder mit seiner Umwelt in Konflikt gerät.

Am Donnerstag Abend ist im Kunstraum in der Schiffbauergasse die Ausstellung „Costa da Morte – Malerei und Zeichnungen“ im Beisein von Detlef Kappeler eröffnet worden. Die von der Landeshauptstadt präsentierte Ausstellung zeigt zum ersten Mal die Bilder des 68-Jährigen, die in den vergangenen drei Jahren im Dorf Muxia an der Atlantikküste im Nordwesten Spaniens, dem „freiwilligen Exil“ Kappelers, entstanden sind. Darunter auch „Al puerto“ (Am Hafen), ein zerzaustes Schwarzweißgrau von Meer, Wind und Möwenflügelschlag.

Kappeler hat 87 Bilder mit nach Potsdam gebracht. Nur ein Teil seiner jüngsten Arbeiten, wie er sagt. 63 Bilder hat er zusammen mit seiner Frau im Kunstraum aufgehängt, für mehr reichte der Platz nicht. So zeigt die manchmal dicht gedrängte Ausstellung von kleinformatigen, zurückhaltenden Kohlezeichnungen bis zu großflächigen, farbkräftigen und fast schon körperlich spürbaren Gemälden das breite Spektrum des Kappelerschen Kosmos.

Dem allzu Symbolischen seiner früheren Arbeiten hat sich Kappeler entledigt. Sein Protest ist nicht mehr ein rein politischer, wie in den Zyklen zu Theodor Lessing und Carl von Ossietzky. Bei Kappeler dominieren jetzt die Farben und Formen in explosivster Mischung, scheint er sich in seinen Bildern immer mehr zu öffnen. Er zeigt den Menschen und die Natur in einem ständigen Mit- und Gegeneinander. An der schroffen Atlantikküste müsse man nur die Augen aufmachen, sich der starken Natur öffnen, um dieses Mit- und Gegeneinander von allem zu verstehen, sagt Kappeler. „Da braucht es keinen theoretischen Überbau für Erklärungen.“ Was auf seinen Bildern passiert, spricht laut genug, auch ohne Worte.

Da wird in „Pero yo de buscar por los rincones“ (Aber ich muss in den Winkeln suchen) das Schwarz durch ein feuerartiges Gelborange gebrochen, tobt es regelrecht im hingeschleuderten Farbzentrum. Dieses Toben, Kämpfen oder Wühlen wie in einem Farbgewitter kann als Leitmotiv vieler der kraftvoll-farbigen Arbeiten Kappelers bezeichnet werden, wobei hier die fünf Gemälde zu den beeindruckendsten zu zählen sind, die sich mit den großen Bränden in den galizischen Wäldern im vergangenen Sommer beschäftigen.

Daneben wirken die Kohlezeichnungen mit ihrem gelegentlich feinen Strich wie Ruhepole. Kappeler zeichnet Gesichter von Menschen aus Muxia, in denen er Spuren entdeckt, die bis zurück in die Zeit der maurischen Besatzung im frühen Mittelalter reichen. Es geht ihm um das Durchdringen der Wirklichkeit, sagt Kappeler. Farbe, Pinsel, Spachtel und Kohle sind seine Hilfsmittel auf dem Weg dorthin. Das seine Bilder sich anfänglich oft dem Betrachter widersetzen, ist nur konsequent. Denn es geht nicht um Verständlichkeit, sondern um Verstehen. Und dieses Verstehen muss erarbeitet werden.

Die Ausstellung „Costa da Morte - Malerei und Zeichnungen“ ist bis zum 25. Februar im Kunstraum, in der Schiffbauergasse, mittwochs bis freitags von 12 bis 18 Uhr, samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei, der Ausstellungskatalog kostet 20 Euro.

Dirk Becker

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