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Kultur: Gefällig und anspruchsvoll

Konzert im Lichthof mit Ensemble „Arpeggiato“

Konzert im Lichthof mit Ensemble „Arpeggiato“ Von allen künstlerischen Vorschlägen sind Werktitel am wenigsten angreifbar. Von ihnen her „liest“ man ein Bild, mit ihnen bringt man alle Klänge einer Tondichtung in die eigene Anschauung. Titel sind immer konkret. Wenn das Ensemble „Arpeggiato“ sein Serenadenkonzert im Lichthof des ehemaligen Civilwaisenhauses am Donnerstag „Kontraste und Parallelen“ nannte und damit ein mehr als zweistündiges Öffnen russischer Herzen und jüdischer Seelen offerierte, darin sich Komponisten vieler Zeiten und mancher Stile reihten, so fasste es dieser Titel bis in den Musizierstil hinein ganz genau. Das Quartett, in dem jüdische Mitbürger aus Potsdam musizieren, trat im Haus der jetzigen Diakonie nicht das erste Mal auf, man scheint ein Stammpublikum zu haben, etwa 100 Gäste lauschten einem teils gefälligen, teils anspruchsvollen Repertoire, welches mit einem schier furiosen Finale aus Haydns Trio G-Dur kontrastreich begann. Pianist Jefim Weißmann griff voller Kraft in die Tasten, so dass sich weder Elena Loevskajas Violine noch das ohnehin zarte Cello von Michail Ganewski dagegen behaupten konnten – so klang es jedenfalls dort, wo die Stühle hinter den Instrumenten standen. Es folgte ein verunglücktes Harfensolo (Zorjana Babjuk) nach einem nordischen Motiv, dann zwei Scarlatti-Sonaten für Klavier in C- und E-Dur, die eine eher behäbig, die andere hämmernder Takte und nicht immer sicher erfasst. Ein schwacher Konzertauftakt jedenfalls. Wie von Paganini bis Kreisler, von Sarasate bis Schubert (ein unbenanntes Allegro Grazioso) für jeden Geschmack etwas dabei war, so spielte das Ensemble auch in allen nur möglichen Besetzungen, kontrastreich eben, oder parallel: Auf den Flügeln des Gesanges (Mendelssohn-Bartoldy ) für Harfe und Violoncello in romantischen Lyrismen, eine wirklich kurze Etude in dis-Moll von Skrjabin für ein kraftvolles Piano solo (sehr hübsch), bei Tschaikowskis „Variationen über ein Rokoko-Thema kamen Cello und Piano zum harmonischen Einsatz, bei der Gavotte von Prokofjew (eine Persiflage auf europäische Salonmusik) Geige und Cello. Andere Stücke wurden als Trio oder Quartett ausgeführt, wie eine sentimentale Serenade von Pierne. Höhepunkte im langanhaltenden Abend waren sicher die klangvolle „Zigeunerin“ (Kreisler) für Violine solo sowie das Finale aus dem hochberühmten Klaviertrio in E-Dur, op. 67 von Schostakowitsch, worin sich zwei lyrische Instrumente (Geige, Cello) vergeblich eines martialischen Klavier-Staccatos erwehren – politische Musik, wenn man so will, genauso bravourös gespielt wie „Clair de Lune“ von Debussy oder Borodins „Chor und Polowetzer Tänze“ mit elegisch-schönen Cello-Parts, das bewegende Finale im Lichthof der Wilhelm von Türk-Stiftung. War der Wille zur titelgerechten Gestaltung bis zur Pause eher dünn gesät, so darf man den Künstlern danach das ganze Gegenteil bescheinigen. Spätestens nach den eindringlichen Harfen- und Celloklängen von „Schindlers Liste“ (Williams) und einer Suite aus Jüdischen Liedern waren sie angekommen, wo man ein so elegantes und kontrastreiches Ensemble schon viel früher erwartet hätte. Gerold Paul

Gerold Paul

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