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Genau Hinsehen: Im bunten Flausch verbirgt sich das Grauen. "Terror".

© Kunstraum/Promo

Zeitgenössische Kunst aus Potsdam: In der Tiefe des Raumes

Zum zweiten Mal zeigt der Kunstraum im Waschhaus mit „Made in Potsdam“, was die Stadt an zeitgenössischer Kunst zu bieten hat.

Oben flirrt das Licht: Tausende Pailletten, silbern und gold, hat Cecile Wesolowski auf dem Boden verstreut. Was da funkelt, soll, sagt Wesolowski, Schloss, Park und Himmel über Sanssouci spiegeln. Ihre Installation wirft zarte Reflexe an die Decke des kleinsten – und dunkelsten – Raums im Kunstraum. Dort, in der Galerie des Waschhaus, eröffnet am morgigen Donnerstag die Ausstellung „Made in Potsdam – Interventionen im Raum“, die das gleichnamige Festival in der Schiffbauergasse ergänzt. Sieben Potsdamer Künstlerinnen zeigen darin ihre Sicht auf Raum, Ordnung und Vielfalt. Kuratiert hat die Schau Mike Geßner, beim Kunstraum bislang für Kommunikation zuständig. Inzwischen plant er schon, wie sich das Konzept erweitern und fortsetzen lässt. Den Vorraum zu Wesolowskis verwunschener Kammer hat Karen Münzner zu einem „Waldhalla“ umgebaut. Die Potsdamer Gartendesignerin hat kleine Haine aus Latten und Birkenstämmen gezimmert – sie hat ein Faible für die für Brandenburg und Russland so typischen Laubbäume. Und auch bei ihr greifen sich die Objekte mehr Raum, als ihnen Münzner an Fläche gegeben hat: Die dünnen, geraden Birkenstämme greifen die Struktur der Fensterstreben und der Bäume davor auf, werfen Schatten an die Wände und geben der kleinen Artlounge im Obergeschoss so mehr Tiefe.

Der größte Teil der Ausstellung liegt jedoch im lichtdurchfluteten Untergeschoss, auch dort streben die Werke in den Raum – manche nur wenige Millimeter, andere gut einen halben Meter. Der leuchtend bunte Wandteppich von Anja Claudia Pentrop etwa besteht aus großen und kleinen Wollpuscheln, einige haben sich scheinbar aus dem Ensemble gelöst und wabern über den Boden. Doch es lohnt sich, länger auf die flauschige Fläche zu starren. Dann lässt sich das dunkle Geheimnis erahnen, das sie verbirgt: „Terror“ steht da, kleinere Pompons inmitten der großen ergeben das Wort wie bei einem Relief. „Terror ist ja etwas Unterschwelliges, auf den ersten Blick nicht Erkennbares“, sagt Pentrop. Er kann sich aber auch ausbreiten wie ein Flächenbrand, die Grenzen überschreiten wie die vorwitzigen Puschel, die das Bild verlassen haben.

Auch Pentrops andere Arbeiten sind politisch, bei der „Ritterburg Europa“ spinnt sich ein Netz aus schwarzen Fäden aus dem kleinen, weiss-umhäkelten Bild. Schwarze Spielzeugsoldaten hangeln sich an den Schnüren herab und verteidigen die EU-Außengrenzen – die hier aber viel weiter südlich, nämlich auf dem Boden zu liegen scheinen.

Weniger in den Raum als zurück in die Geschichte greifen die kleinen, in Vitrinen angeordneten Kartons, die „Wunderkästen“ von Tina Flau. Sie bezieht sich damit auf die Wunderkammern des Barock, in denen Fürsten und vermögende Bürger Artefakte, Tierpräparate, Globen und chirurgische Instrumente sammelten – kurz: das Wissen der Welt. „Kunst und Wissenschaft waren damals noch eine Einheit“, sagt Flau. Aus heutiger Sicht gleichen diese ersten Privatsammlungen Kuriositätenkabinetten – doch vor der Aufklärung sei man den Dingen, auch den unscheinbarsten, mit Achtung begegnet, habe sie nicht nur als Objekte degradiert. Und so reihen sich in ihren von Hand gefalteten Papierschachteln ein kleiner, aufblasbarer Plastikglobus neben kleine Bleigewichte, Glaskolben neben Winkelmesser und immer wieder entdeckt man skurrile Kombinationen. Wie die winzigen braunen Apothekerfläschen, die Flau auf ein Bett aus orangefarbenen Pillen gebettet und mit ebenfalls orangefarbenen Gummibärchen garniert hat. Es ist der Kontext, in dem die Dinge stehen, der sie interessiert, die Art, wie sich Dinge verbinden lassen.

Darin ähnelt ihre Arbeit der von Katrin von Lehmann, deren dreiteilige Installation „Blick auf die Vielfalt“ die tiefschürfendste der Ausstellung ist. Dabei sind ihre Arbeiten auf Papier und Fotopapier wohl die am wenigsten raumgreifenden. Feine Buntstiftzeichnungen hat sie mit Schichten aus ausgestanztem Papier überlegt – auf der Suche nach der Frage, wie Vielfalt, die unendlich aufscheinende Variationen und Mutationen aufweist, wissenschaftlich systematisiert werden kann. In einem nächsten Schritt legte sie das ausgestanzte Konfetti auf einen Scanner und legte über die Fotos dieser Vielfalt neue Raster. Die Arbeiten sind das Ergebnis ihrer Zeit als „Artist in Residence“ am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte. Dort wird zum Thema menschliche Vielfalt geforscht – „dem, was früher Rassentheorie genannt wurde“, sagt Lehmann. Sie fand heraus: Auch die Wissenschaftler profitierten von ihrer Sichtweise. Von der strikten Trennung beider Disziplinen hält sie nichts: Schließlich bestimmt immer der Standpunkt des Blickenden, wie ein Objekt wahrgenommen wird. Und nur ein Standpunkt, das wäre keine Vielfalt.

Eröffnung am morgigen Donnerstag, 19 Uhr; geöffnet bis zum 16. Februar, mittwochs bis samstags, 12 Uhr-18 Uhr

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