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Kultur: Kinder und Dörfer

Die neuen Stipendiaten der Lotto GmbH Stefan Eikermann und Ingar Krauss suchen ihre Foto-Motive abseits der Moderne.

Die neuen Stipendiaten der Lotto GmbH Stefan Eikermann und Ingar Krauss suchen ihre Foto-Motive abseits der Moderne. Von Marion Hartig Sie führen weit weg aus der alltäglichen Bilderwelt der Medien. Keine amerikanischen Skylines, keine Berliner Stadtlandschaften oder Porträts von abgedrehten Stadtmenschen oder poppigen Kunstwelten. Die Preisträger des diesjährigen Arbeitsstipendiums von Lotto Brandenburg Stefan Eikermann und Ingar Krauss suchen sich ihre Motive abseits des Mainstreams. Sie fotografieren Menschen an Orten, in denen es keine Bahnhöfe oder Autobahnen gibt, aus Mangel an Bedarf dorthin oder von dort fort zu fahren. Die Fotografen verwenden einfache fotografische Techniken. Kein digitales Aufpuschen, kein Verfremden. Stefan Eikermann und Ingar Kraus dokumentieren eins zu eins. Die Jury aus PNN-Kulturredakteur Klaus Büstrin, FH-Professor Arthur Engelbert und Fotograf Göran Gnaudschun haben sich in ihrer Entscheidung für die Rückkehr zur puren Fotografie bekannt. Fast gehen die ausgewählten Arbeiten in Richtung Magnum-Reportage-Fotografie. Nur dass sie in gewisser Weise konzentrierter sind auf ihr Motiv und weniger Sozialstudie. Seit 1999 vergibt Lotto Arbeitsstipendien für Fotografen. Einzelausstellungen im Lotto-Haus und 1600 Euro für ihre Projekte winken den Künstlern. Die Gewinner wurden in diesem Jahr aus 66 Bewerbern ausgewählt. Die aktuelle Ausstellung zeigt auch Bilder der drei in die engere Wahl gekommenen Fotografen. Walter Gramming und Uschi Frank steuerten farbengrelle, zum Teil abstrakte Digital-Kunstfotos zu Heiner Müllers Theaterstück „Der Auftrag“ bei. Martin Eberle lichtete Müll in Hinterhöfen und Landschaften ab. Seine Bilder sind zu wenig besonders, um gute Kunst zu sein. Arwed Messmer hat den Alexanderplatz durch ein beschlagenes Gitterfenster aufgenommen, ein interessantes und gleichzeitig willkürliches Suchbild von oben. Die Jury hat sich berechtigterweise für die rein erzählende Fotografie entschieden. Um Dorfleben geht es in den Bildern von Stefan Eikermann, einem gebürtigen Berliner, der in der Uckermark lebt. Unter dem Titel „widerstehn“ zeigt er einen heimatlichen Rundumblick. Er reiht wie bei einem Negativ-Film-Streifen kleine, kaum Postkarten große Aufnahmen aneinander und führt so den Betrachter in die kleine übersichtliche, scheinbar zeitlose Welt. Seine Bilder wirken idyllisch und weltfremd. Weizenfelder, eine leere Lagerhalle, vor der ein altmodischer Motorroller parkt. Die Bäuerin im bunten Kittel, der Bauer in Unterhemd und Arbeitshose. Ein lachendes Mädchen mit Sommersprossen. Nur die kaum sichtbare Satellitenschüssel auf dem Dach passt nicht. Ist sie doch ein Zeichen für die nahende Moderne. Mit seiner Reihe schafft Eikermann ein reportageähnliches Puzzle. Erst zusammen bekommen die Teile Sinn. Das kleine Format fordert auf, näher hinzusehen. Anders als Eikermann lässt Ingar Krauss aus Berlin in seinen Bildern „Kindheit und Religion in Osteuropa“ die Umwelt außen vor - und doch ist sie gleichzeitig Zentrum seiner Arbeit. Er zeigt in mittelgroßen schwarzweiß Formaten Kinder. Der Hintergrund ist wie ausgewischt, weiß, dunkel, ein Baum, er spielt keine Rolle. Es geht um die dargestellten Mädchen und Jungen, um ihre meist gesenkten Blicke. In abgenutzten Einheitskleidern stehen sie vor der Kamera, auf ihren Jacken ist ein Schild mit kyrillischer Schrift aufgenäht. Nirgends sonst ein Hinweis darauf, dass sie Kinder einer russischen Strafkolonie für Minderjährige sind. Und doch sieht man ihnen ihre Last an, sie scheinen wie junge Erwachsene. Kindheit ist das Thema von Krauss, der in seinem nächsten Projekt Waisenkinder in russischen Klostern fotografiert. Er will die Spuren, die ein Leben im Gesicht und der Körpersprache schon von Kindern hinterlassen, zeigen. Pur. Und das gelingt ihm.

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