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Kultur: Parodie, Punk und Propaganda

Die außergewöhnliche Band Chumbawamba begeisterte im ausverkauften Waschhaus

Die außergewöhnliche Band Chumbawamba begeisterte im ausverkauften Waschhaus Chumbawamba sind groß. Wie es der Ritus von Popstars verlangt, lassen sie ihr Publikum, das generationenübergreifend angereist war, warten, bis sie gegen 22.30 Uhr endlich die Bühne entern, um sich dann als erstes, eben über das Showbiz lustig zu machen. Mit ironischem Augenzwinkern präsentieren sie sich als die Retortenstars Britney Spears und Justin Timberlake und entwickeln aus diesen parodistischen Gesten von der ersten Minute an einen Groove, als gelte es, das ganze Leben tanzend zu verbringen. Punk zum Tanzen, für Chumbawamba ein Mittel, ihre Überzeugungen zu vermitteln. Seit mehr als 20 Jahren singt das Musikerkollektiv mehrstimmig gegen Faschisten und die Diskriminierung von Homosexuellen an, erinnert an Auschwitz, an die Terroristenverfolgung in Deutschland, an Stalin und an die sozialen Auswirkungen des Kapitalismus. Gekleidet in mitsingbare Melodien betreiben Chumbawamba damit Propaganda, wie es im Duden steht: „Für die systematische Verbreitung ihrer politischen und weltanschaulichen Ideen mit dem Ziel das allgemeine politische Bewusstsein zu beeinflussen“, gründeten sie Anfang der 80er das programmatisch Agit-Prop genannte Label. Seither zeigen sie, dass Tanzen und Politik keine Gegensätze sein müssen. Alle paar Jahre gelingt es ihnen, mit oder trotz dieses Konzeptes, in den Radiostationen und Charts aufzutauchen. Das Konzert am Freitagabend im ausverkauften Waschhaus zeigte einmal mehr, was für eine hervorragende und doch sehr außergewöhnliche Band Chumbawamba zudem sind. Es ist nicht nur der häufig eingesetzte mehrstimmige Chorgesang, das integrierte Trompetenspiel oder die raffinierten Breaks und bewusst gesetzten Stilbrüche, die überraschen. Am sympathischsten an Chumbawamba ist das durchgehaltene Kollektivprinzip, das sie verkörpern. Statt eines einzelnen Sängers, der einer klassischen Rockband als Identifikationsfigur dient, wechseln sich die Sänger bei Chumbawamba in jedem Song ab. Von den acht Musikern kommt einzig der Schlagzeuger nicht zu Wort. Sie bedienen nicht die typischen Rollenzuweisungen in der Rockmusik, sondern parodieren sie und zeigen gleichzeitig, wie hervorragend das Ergebnis eines gemeinsamen Spielens sein kann. Die letzte der vier Zugaben unterbrach die Band, um das Publikum aufzufordern, sich selbst der Bühne und des Mikrofons zu bedienen. Ein zunächst schüchterner Fan ließ sich aus dem Pulk vor der Bühne ziehen und rappte plötzlich, auch zur Überraschung der Band, so gut gelaunt los, als würde er jeden Abend mit Chumbawmaba auftreten. Diese entließen die Konzertbesucher daraufhin mit dem lauthals angestimmten Refrain: „That“s how grateful we are“. Kaum einer, der nicht mitsang. Helen Thein

Helen Thein

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