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Kultur: Reich an Dissonanzen

Der Auftakt der „intersonanzen“ am Freitag

Der Auftakt der „intersonanzen“ am Freitag Der Aufstieg zu den Höhen der Kultur führt über eine bläulich schimmernde Wendeltreppe in die Kuppel des Alten Rathauses. Dort herrscht finsteres Dämmerlicht. Wir befinden uns in einer Klanginstallation, die sich „octagon“ nennt und den „intersonanzen“, Brandenburgisches Fest der neuen Musik, den Auftakt liefert. Von irgendwoher blubbern, rauschen, gluckern und quellen irgendwelche Klänge (Lutz Glandien). Rotundenwand und Fensternischen sind durch kalkgraue Tücher in eine homogene Fläche verwandelt (Raumkonzept: Malte Lüders). Auf vier verhüllte Fensterflächen werden kreisförmige Malereien projiziert (Peter Blau). Sie erinnern an den Blick ins Innere eines Schneckengehäuses. In vier weiteren (Fenster-)Verkleidungen stehen Monitore, auf denen Standbilder von Plastiken der Nikolaikirche oder der Fortunafigur des Alten Rathauses sowie Videos von Grabungen auf dem Alten Markt, Rundblicke auf die Stadt nebst Freundschaftsinsel flimmern. Was man einstens selber in Augenschein nehmen konnte, wird einem nun durch Medien vermittelt. Man ist von der Realität gleichsam abgeschottet, soll neue Eindrücke gewinnen. Und steht fast im Dunklen. Um einen herum passieren mehrere Dinge gleichzeitig. Das war''s. Na, und denn? Denn geht''s ins Erdgeschoss, in den Theatersaal, wo Eröffnungskonzert des mittlerweile zum fünften Mal veranstalteten Festivals der Neutönereien stattfindet. Es ist dem Engagement einiger rühriger Mitglieder des Brandenburgischen Vereins Neue Musik e.V. zu verdanken. Dieses Jahr möchte man „Zwischen Klang und Bild“ vermitteln, akustische und optische Reize zu einem Gesamtkunstwerk verbinden. Zunächst gibt es für das verhältnismäßig kleine Zuhörhäuflein, unter ihnen mancher Potsdamer Tonsetzer und Kompositionsstudenten der Uni, Novitäten für Streichtrio zu hören. „Neue Musik ist wichtig, um die alte verstehen zu können“, bekennt dann Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) bei der Begrüßung. Was einst den Altvorderen der Generalbass bedeutete, ist den Heutigen eine deftige Geräuschkulisse. Sirenenartiges Gleiten über die Saiten bestimmt die „Musik für Streichtrio“ (1995/2004) von Steffen Schellhase, in das dissonanzenreiche Passagen einfallen. Aus dem Nebenher von Tonfolgen entsteht allmählich ein Miteinander. Glissandoreich zeigt sich gleichfalls das Streichtrio Nr. 1 (2004) von Alex Nowitz, das von Papstporträts Francis Bacons inspiriert ist. Geräuschhaftes wechselt mit Aufgeregtem, streicherische „Sägearbeiten“ mit Gezupftem und Geschlagenem. Ein Adagio schält sich heraus. Geiger und Bratscher pfeifen sich dazu eins. Dem originellen Stück fällt auffallend intensiver Beifall zu, den anderen weit weniger. Im „Trio für sieben Streicher“ (1990) von Helmut Zapf wandeln sich unaufhörlich die Dreierbeziehungen. Aus der Instrumentenversammlung bilden sich unterschiedlich besetzte Triogebilde, was für Vielfalt und gehöriges Durcheinander sorgt. In seinen Aufgeregtheiten und Dissonanzen sucht das Stück die Zerrissenheit einer aus den Fugen geratenen Welt wiederzugeben. Das Spezialensemble für neue Musik „UnitedBerlin“ unter Leitung von Andreas Bräutigam, löst mit Engagement und großem Können die kniffligsten Aufgaben. Dass dies alles noch Musik sei, ist für die Eingeweihten keine Frage. Klang und Bild gehen abschließend in Sergej Prokofjews rekonstruierter Ballettmusik „Trapèze“ mit Videosequenzen von Claudia Esslinger (USA) eine Verbindung ein. Während die Musik als Quintett erklingt, flimmern diverse Wolkenformationen (von Schleier bis Gewitter) als einförmiges Bildmotiv über die Leinwand. Schwarzweiß wechselt dabei mit Farbe, jonglierende und einradfahrende Artisten mit tanzhüpfenden Menschenpaaren. Das ursprünglich romantische Ballett aus dem Zirkusmilieu deformiert nunmehr zu einer banalen Videomusik. Peter Buske

Peter Buske

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