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Kultur: Weg von der Mitte

Freygang live im Lindenpark

Die beiden älteren Herren mit den weißen Haaren standen nebeneinander, tanzten ein wenig und lächelten. Vorn auf der Bühne im Lindenpark begann gerade wieder eines der endlosen Gitarrensoli. Gitarrist Egon Kenner von Freygang schüttelte sie sich am laufenden Band aus dem Ärmel. Seine erste Gitarre bekam Egon 1962. Am Freitagabend, 44 Jahre danach, war eine angenehme Stimmung im halb gefüllten Saal. Die Jüngeren, etwa Dreißigjährigen, tanzten eifrig mit, während die älteren eher gelassen den Stücken der Band lauschten, die seit 1977 in immer wechselnder Besetzung spielen. Anfangs gab es vor allem Punk, mit rotzigen Verzerrungen und deutschen Texten. Keine große Show, einzige Requisite war ein original Volkspolizeiknüppel. Sänger Andre Greiner-Pol erzählte, sang und schrie in Rio Reiser-Manier von den zeitlosen Ungerechtigkeiten, über den Bullenstaat, die Einsamkeit. Was hat Andre nicht alles mitmachen müssen in der DDR: Verhaftungen, Auftrittsverbote, Bespitzelung. Aber musikalisch genoss er eben auch die Siebziger und Achtziger.

Nach der kurzen Pause wollte man Freygang danke sagen für so viel Ausdauer, die man hören konnte. Led Zeppelin, AC DC, Gitarrensoli und Flötenmelodien. Die Einflüsse der vielen Jahre wurden nicht kaschiert. Aus einem Punkschinken im zackigen Vier-Viertel-Takt wurde plötzlich ein Bluessong mit Mundharmonika, dem sich ein fünf Minuten Gitarrensolo anschloss. Freygang erlebten Häuserbesetzungen, ein eigenes Festival, Konzert-Kreuzfahrten – Rückschläge und Erfolge machen Mut oder lassen einen irgendwann aufgeben. Aufgegeben haben Freygang nicht. So baten sie im Lindenpark einen Freund der Band, den Ludwigsfelder Rummelplatzbetreiber Ameise auf die Bühne und begannen zu improvisieren. Mundharmonika und Gitarre verloren sich in ewigen Soli, ein Glockenspiel kam dazu. Dann die rauchig-dunkle Stimme von Bassistin und Sängerin Tatjana Besson: „Wir müssen weg von der Mitte“ von Freygangs 2004 erschienenem Album „No 9“. Am Ende forderte das Publikum Zugaben, die Freygang sichtlich erschöpft gaben. Sänger Andre bedankte sich für die Geduld des Publikums mit der Band. Philipp Rothmann

Philipp Rothmann

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