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Sport: Die Brettkinder werden erwachsen

Jan Michaelis und Xaver Hoffmann sind in Turin die deutschen Snowboard-Hoffnungen

Auch wenn man Xaver Hoffmann und Jan Michaelis nicht persönlich kennt, sind sie im Hotel Kapeller in Innsbruck leicht zu finden. Eigentlich genügt die Information, dass es sich um zwei Snowboard-Profis handelt. In den drei Räumen des Restaurants stehen zur Auswahl zwei ältere Herren, die vor einem Kachelofen sitzen, zwei jüngere Männer, die sich eifrig unterhalten, oder zwei ähnlich junge Männer, die im Gegensatz zu allen anderen Personen im Raum dicke Wollmützen tragen.

Jan Michaelis und Xaver Hoffmann werden in der nächsten Stunde trotz angenehmer Raumtemperaturen ihre Wollmützen nicht abnehmen. Style ist wichtig für Snowboarder, einer Sportart, die noch ihren Platz sucht zwischen Jugendkultur und Olympischen Spielen. Auf der einen Seite gibt es Traditionalisten wie den Finnen Terje Haakonsen, der weiterhin die vom Internationalen Skiverband geforderten Pflicht-Wettkämpfe vor den Olympischen Spielen ablehnt. Zumal es in Turin mit dem Snowboardcross und dem Parallel-Riesenslalom bei den Olympischen Spielen zwei Disziplinen gibt, die in der Szene ein wenig belächelt werden. Auf der anderen Seite gibt es Snowboarder wie Jan Michaelis, die nicht nur zu Videoproduktionen auf ihr Brett steigen wollen. „Es gehört zum Sport dazu, dass man sich mit anderen misst“, sagt der 28-Jährige, „ich würde nicht darauf verzichten wollen.“

So wird sich Jan Michaelis am 12. Februar bei den Olympischen Spielen in Turin gemeinsam mit seinem Teamkollegen Xaver Hoffmann in der Halfpipe um eine Medaille bewerben. „Ich bin froh, wenn ich im Finale dabei bin“, sagt Michaelis, „aber es ist schon sehr unwahrscheinlich, dass ich oben stehe.“ Dass die beiden deutschen Fahrer nicht ganz aussichtslos nach Bardonecchia reisen, zeigte der letzte Weltcup in Leysin. Jan Michalis siegte überraschend und setzte sich auch an die Spitze des Gesamtweltcups. Hoffmann qualifizierte sich als Dritter im letzten Moment noch für Turin. Zwar hatte er bereits zu Saisonbeginn in Chile einen Weltcup gewonnen, doch der zählte noch nicht für die Olympia-Qualifikation. „Ich hatte bisher ein schlechtes Timing mit meinen Weltcuperfolgen“, sagte Hoffmann, „jetzt bin ich superfroh, dass es in letzter Sekunde noch geklappt hat.“

Großer Favorit in der Halfpipe ist der Amerikaner Shawn White. „Er ist ein Brettkind“, sagt Michaelis, „er fährt in einer anderen Liga.“ Dass der Superstar der Szene überhaupt an den Olympischen Spielen teilnimmt, weist allerdings auf eine gestiegene Wertschätzung dieser Veranstaltung hin. Sogar auf das Air&Style-Festival in München hatte White verzichtet und sich stattdessen in den USA auf die Spiele in Turin vorbereitet. „Das zeigt doch, wie ernst er das nimmt“, sagt Xaver Hoffmann.

Die deutschen Halfpipe-Fahrer fühlen sich gegenüber den Finnen oder den US–Amerikanern im Nachteil. Die Finnen trainieren inzwischen in den USA. „Dort gibt es optimale Trainingsbedingungen“, sagt Hoffmann. Ganz anders ist die Situation für die Deutschen. „Hier gibt es keine wettkampftaugliche Halfpipe“, sagt der 31-Jährige, „man reist dem Schnee hinterher.“ So kommt es vor, dass Bundestrainer Alexander Rottmann anruft und sagt, fahr mal schnell nach Mammoth Mountain in die USA. „Dann hat man ein, zwei Tage Zeit, um dort hinzukommen“, sagt Hoffmann.

Die Zeiten aber sind vorbei, als Snowboarder noch als jugendliche Chaoten galten. Ein Image, das der Kanadier Ross Rebagliati befördert hat, als er bei den Olympischen Spielen 1998 positiv auf Marihuana getestet wurde. Doch die Snowboardszene zählt längst zum Mainstream. „Inzwischen fangen 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit dem Snowboarden an und nicht mit dem Skifahren“, sagt Hoffmann. Er feiere jedenfalls nicht mehr als andere Sportler, die er am Olympiastützpunkt in Garmisch-Partenkirchen kenne. „Und der Hackl Schorsch trinkt doch auch viel Bier“, sagt Michaelis. Der Hamburger, der jetzt in Garmisch-Partenkirchen wohnt, hat jedenfalls ein durchaus seriöses Berufsziel. Er wird demnächst Medizin studieren. Spätestens im Operationssaal wird er dann auch seine Wollmütze absetzen müssen.

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