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Der besondere Moment. Eine Viertelstunde vor Schluss wird Marco Richter für Dodi Lukebakio (links) eingewechselt.

© IMAGO/Matthias Koch

Marco Richter feiert sein Comeback für Hertha BSC: Eine Geschichte, die niemanden kalt lässt

47 Tage, nachdem bei ihm eine Krebserkrankung festgestellt worden war, feiert Marco Richter sein Comeback bei Hertha BSC. Er wird in der Offensive gebraucht.

Marco Richter hatte die Ostkurve mit den Fans von Hertha BSC in voller Pracht vor sich, als er am Strafraum an den Ball kam. Er nahm seinen etwas schwächeren linken Fuß, zog ab und stellte den Schweizer Torhüter von Borussia Dortmund vor eine echte Herausforderung. Marwin Hitz konnte nichts mehr machen. Der Ball flog an ihm vorbei ins Tor.

So war das im Dezember, als Hertha den BVB im heimischen Olympiastadion mit 3:2 besiegte und Richter zwei Tore zum Erfolg der Berliner beisteuerte. Am Samstag nun wiederholte sich die Geschichte – mit einem kleinen, aber entscheidenden Unterschied.

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Wieder kam Richter am Dortmunder Strafraum an den Ball; wieder vor der Ostkurve; wieder nahm er seinen etwas schwächeren linken Fuß, und wieder stellte er den Schweizer Torhüter von Borussia Dortmund vor eine echte Herausforderung. Nur dass Gregor Kobel diesmal seine Fingerspitzen an den Ball bekam und ihn an die Latte lenkte.

„Es wäre heute der i-Punkt gewesen“, sagte Herthas Trainer Sandro Schwarz über Richters Lattentreffer. Gerade vier Minuten stand der Offensivspieler auf dem Platz, als ihm beinahe der Ausgleich zum 1:1 gegen den Vizemeister aus Dortmund gelungen wäre. So blieb es beim 0:1 – und bei der vierten Niederlage für Hertha im fünften Pflichtspiel dieser Saison.

Marco Richter konnte trotzdem nicht wirklich traurig sein. Als sich die Mannschaft nach dem Spiel von den Fans in der Kurve verabschiedete, nahm er eine herausgehobene Position ein. Richter stand in der Mitte, drei, vier Schritte vor seinen Kollegen, und während seine Mitspieler bedröppelte Mienen zur Schau trugen, hatte Richter ein Lächeln auf dem Gesicht. Die Kurve rief seinen Namen. „Ich freue mich natürlich sehr“, sagte er. „Das war was ganz Besonderes.“

Eine Woche zuvor stand Richter bereits im Kader

Nachdem Richter schon in der Woche zuvor, bei der Niederlage in Mönchengladbach, erstmals wieder im Kader gestanden hatte, feierte er am Samstag gegen den BVB sein Comeback – nur 47 Tage, nachdem bei ihm ein Hodentumor festgestellt worden war. „Kaum zu beschreiben“ seien die Gefühle bei seiner Einwechslung gewesen, sagte der 24-Jährige.

Sein Schicksal und seine Geschichte ließen niemanden kalt. „So eine Diagnose ist erst mal ein Schock“, sagte Trainer Schwarz. „Es ist eine außergewöhnliche Geschichte, in allererster Linie für Marco als Mensch. Wir freuen uns ungemein.“

Dortmunds Mittelfeldspieler Jude Bellingham stand nach dem Schlusspfiff auf der Laufbahn im Olympiastadion und gab ein Fernsehinterview, als in seinem Rücken Marco Richter durchs Bild huschte. Bellingham wies mit dem Daumen über seine Schulter Richtung des Berliners und sagte nur: „Hero.“

Richter hatte das Glück, dass der Tumor früh genug entdeckt worden ist. Anders als Timo Baumgartl vom 1. FC Union und Sébastien Haller vom BVB ist ihm dadurch eine Chemotherapie erspart geblieben. „Alles ist raus aus meinem Körper“, hat er bei seiner Rückkehr auf den Trainingsplatz gesagt. „Die Chance, dass da noch mal etwas kommt, ist gering.“

Den Trainingsrückstand hat er inzwischen aufgeholt. „Es sieht sehr gut aus, aber ich merke, dass noch ein bisschen fehlt“, sagte er. „Viel ist es nicht mehr.“ Auch Trainer Schwarz sieht Richter „in einem sehr, sehr guten Zustand“. Über kurz oder lang könnte Richter also mehr werden als nur ein Einwechselspieler.

Seit 268 Minuten ist Hertha ohne Tor

Nach seinem Wechsel nach Berlin vor einem Jahr hatte der Offensivspieler ein starkes erstes Halbjahr mit dem Auftritt gegen Dortmund zum Abschluss der Hinrunde als Höhepunkt. In dieser Form wäre Richter auch für die aktuelle Hertha eine Bereicherung – obwohl seine bevorzugte Position rechts in der offensiven Dreierreihe derzeit von Dodi Lukebakio besetzt wird. Der Belgier zählt zu den positiven Überraschungen des Saisonstarts. Am Samstag musste er für Richter vom Feld.

Mehr Wucht im Angriffsspiel kann Hertha nur gut tun. Seit nunmehr 268 Minuten – seit dem frühen 1:0 von Suat Serdar gegen Frankfurt – ist die Mannschaft ohne Tor, und die drei Chancen gegen den BVB resultierten allesamt aus Schüssen von jenseits der Strafraumgrenze.

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Fehlende Strafraumbesetzung, falsche Entscheidungen, mangelnde Überzeugung: Es kommt einiges zusammen. Chidera Ejuke neigt im Dribbling zu Übertreibungen, Mittelstürmer Wilfried Kanga ist im Strafraum oft auf sich alleine gestellt, fremdelt aber erkennbar auch mit der neuen Umgebung. Trainer Schwarz findet das nicht ungewöhnlich. „Er ist neu, hat wenig von unserer Vorbereitung mitgemacht und kommt aus der Schweizer Liga. Dass er Entwicklungszeit braucht, ist völlig normal.“

Mit Marco Richter erhält Schwarz nun eine weitere Option für die Offensive. „Wir brauchen diese Konkurrenzsituation. Die ist gut“, sagt er. „Aber das heißt nicht, dass Marco nicht spielt, wenn Dodi spielt. Es gibt auch Konstellationen, wo beide auf dem Platz stehen werden.“

Die nächste Gelegenheit bietet sich am kommenden Sonntag, im Auswärtsspiel beim FC Augsburg. Gegen den Klub also, in dem Marco Richter groß geworden und für den er sein Bundesligadebüt gefeiert hat.

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