zum Hauptinhalt
Pal Dardai muss seinen Platz als Cheftrainer von Hertha BSC zum dritten Mal räumen.

© IMAGO/Fussball-News Saarland/IMAGO/Sebastian Bach

Hertha BSC versucht es künftig ohne Dardai: Nachvollziehbar und doch ein Wagnis

Nach einer alles in allem enttäuschenden Zweitligasaison beendet Hertha BSC die Zusammenarbeit mit Trainer Pal Dardai. Der Klub geht damit ein Wagnis ein.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Allzu überraschend ist die Nachricht dann nicht mehr gewesen, die am Samstag, wenige Stunden vor dem Heimspiel von Hertha BSC gegen den 1. FC Kaiserslautern publik wurde. Wer die Zeichen richtig gedeutet hat, der ahnte schon seit Wochen, dass es genau so kommen würde. Der Berliner Fußball-Zweitligist wird die Zusammenarbeit mit Cheftrainer Pal Dardai nach dieser Saison beenden.

Dass der Klub sich drehen und winden muss, um diese Entscheidung zu begründen, das wird wohl niemand behaupten. Die von Dardai betreute Mannschaft wird die Spielzeit irgendwo im grauen Mittelfeld der Zweiten Liga beenden. Und auch wenn Hertha gezwungenermaßen demütiger geworden ist und die Begleitumstände in dieser Spielzeit mehr als herausfordernd waren: Das ist nicht der Anspruch des Klubs, der nach den beiden Abstiegen zuvor (2010 und 2012) jeweils umgehend in die Bundesliga zurückgekehrt ist.

Hertha – trotz namhafter Konkurrenz immer noch eine große Nummer in der Zweiten Liga – ist während der gesamten Saison nicht einmal in die Nähe der Aufstiegsplätze gekommen. Das fällt natürlich auch auf Dardai zurück, dem zudem vorgeworfen wird, dass er die fußballerische Qualität des Kaders nicht ausreichend zum Vorschein gebracht hat, dass keine nachhaltige fußballerische Entwicklung des Teams zu erkennen war und der Erfolg vor allem von Ausnahmespielern wie Fabian Reese und Haris Tabakovic abhing.

Trotzdem ist die Entscheidung gegen den Ungarn ein Wagnis – weil er wie kein Zweiter für den sogenannten Berliner Weg des Vereins stand. Dafür, bedingungslos auf junge Spieler aus dem eigenen Nachwuchs zu setzen. Angesichts der weiterhin komplizierten finanziellen Situation des Klubs gibt es zu diesem Weg einfach keine Alternative.

Dardai stand für den Berliner Weg

Dardai hat das nie als unzumutbaren Zwang empfunden. Im Gegenteil. Bei Gesprächen im kleinen Kreis hat er immer wieder erkennen lassen, wie viel Spaß ihm dieses Unterfangen bereitet. Er hat skizziert, wie eine Mannschaft aussehen könnte, die zu 80 Prozent aus selbstausgebildeten Profis besteht, und sich ausgemalt, wie weit es mit einem solchen Team mittelfristig gehen könnte. Deutlich weiter, als man es sich momentan vorstellen kann.

Vielleicht hat Dardai die Zukunft ein bisschen zu rosarot gemalt, aber mit seinem Enthusiasmus für die Sache hat er den Berliner Weg so glaubhaft verkörpert wie kein anderer. Schon in seiner ersten Amtszeit (von jetzt dreien) hat er immer wieder vom 1999er-Jahrgang geschwärmt, einer vermeintlich goldenen Generation, die 2018 deutscher U-19-Meister geworden ist und dem Verein auf Sicht viel Geld einbringen könne. Leider sind Hertha dann irgendwann ein paar hundert Millionen Euro und ein Anflug von Größenwahn dazwischengekommen.

Wer bei Hertha nun auf Dardai folgt, ist wohl noch offen. Und genau das ist die Crux. Der Klub muss weiterhin sparen, die Kosten, auch im Kader, weiter reduzieren, möglicherweise also auch Leistungsträger wie Fabian Reese ziehen lassen. Hinzu kommen die Unwägbarkeiten um den offenbar in finanziellen Nöten steckenden Investor 777 Partners, von dem Hertha noch 25 Millionen Euro bekommen soll. Welcher Trainer also lässt sich überhaupt auf ein solches Wagnis ein?

Im Frühjahr 2019 hat sich Hertha BSC erstmals von Pal Dardai getrennt, weil die Vereinsführung der Ansicht war, dass der Ungar zu klein geworden sei für die Ambitionen des Klubs. Seitdem ist bei den Berlinern nicht nur nichts besser geworden. Es ist sogar kontinuierlich bergab gegangen.

Acht Trainer (inklusive Dardai selbst) haben sich seit dem Ende seiner ersten Amtszeit und dem Beginn seiner dritten Amtszeit bei Hertha versuchen dürfen. Der letzte Trainer – vor Pal Dardai jetzt –, der eine komplette Spielzeit bleiben durfte, war: Pal Dardai. Dass Hertha auch ohne ihn kann, das muss der Klub erst noch beweisen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false