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Wirtschaft: "Das Ehegattensplitting zerrüttet die Ehe"

Mit der Ökonomie der Ehe setzt sich der Berliner Finanzwissenschaftler Kai Konrad auseinander.Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hält er für wegweisend.

Mit der Ökonomie der Ehe setzt sich der Berliner Finanzwissenschaftler Kai Konrad auseinander.Das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hält er für wegweisend.Allerdings nicht wegen der Besserstellung von Ehepaaren mit Kindern, sondern aus einem anderen Grund: Karlsruhe, meint der Ökonom, gehe mit dieser Entscheidung in Richtung Gleichstellung von verheirateten und unverheirateten Paaren."Und das ist gut so." Konrad ist nämlich für die Abschaffung des Ehegattensplittings, weil es "einen entscheidenden Beitrag zur Zerrüttung vieler Ehen leistet".

Wie das? Dieses Instrument gibt einen starken ökonomischen Anreiz zur Spezialisierung: Es lohnt sich, daß der besserverdienende Partner - meist der Mann - viel arbeitet und die Frau sich um Kindererziehung und Hausarbeit kümmert.So entwickeln sich im Lauf der Jahre die "Reservationsnutzen" - was den Partnern jeweils bleibt, wenn die Beziehung zerbricht - immer weiter auseinander."Wenn der Mann sich nach 20 Jahren eine Jüngere nimmt", meint Konrad, "steht die Frau auf dem Arbeitsmarkt chancenlos da." Der Ökonom glaubt nicht, daß das Bundesverfassungsgericht eine grundsätzliche Umgestaltung - etwa eine Transferlösung - ablehnen würde.Das "frauenfeindliche" Ehegattensplitting jedenfalls sei nicht geeignet, die Ehe zu schützen, wie es das Grundgesetz verlangt.

Mit seinem wissenschaftlichen Ansatz, der "nichtkooperativen Spieltheorie", kommt Konrad zu ganz eigenen Ergebnissen.Einig mit seinen Fachkollegen ist er, wenn er bei der Reform der Einkommensteuer eine deutliche Senkung der Grenzsteuersätze gutheißt und den Stufentarif des CDU-Politikers Gunnar Uldall lobt.Kaum Widerspruch wird er auch ernten, wenn er die rückwirkende Streichung von Steuergestaltungsmöglichkeiten ablehnt."Das wäre eine Enteignung im nachhinein", meint Konrad, "Kapitalanleger hätten kein Vertrauen mehr und investierten hier nicht mehr." Für die Zukunft aber würde Konrad praktisch alle Ausnahmeregelungen streichen.Eine Einzelfallentscheidung würde nicht zu effizienten Ergebnissen führen: Welche Vergünstigung überlebt, würde nicht nach ökonomischen Kriterien entschieden, sondern danach, wer die stärkste Lobby hat.

Nicht unter das Rubrum Steuervergünstigung faßt Konrad den Verlustausgleich, den er voll erhalten würde.Schränkte man den Ausgleich ein, würden riskante Investitionen weniger attraktiv.Die Folge: Zurückhaltung der Unternehmen oder eine Tendenz zur Bildung von "Gemischtwarenläden", wegen der Risikostreuung.Solche Firmen seien aber nicht effizient, weil die Vorstände die daraus entstehenden Informationsprobleme nicht in den Griff bekämen.Bei der einheitlichen Betriebsteuer sieht der Berliner Ökonom die Gefahr, daß Unternehmer private Ausgaben in den Betrieb verlagern: "Das führt nur zu teuren Tricks." Auch die Hoffnung, das starke Steuersatzgefälle zwischen Privat- und Betriebssphäre würde die Investitionen anschieben, sei trügerisch."Wenn die Politik Druck auf die Firmen ausüben will, Geld in Realkapital umzusetzen, dann muß sie für beschleunigte Abschreibungsmöglichkeiten sorgen."

Den Steuerpolitikern in Europa empfiehlt Konrad keine Harmonisierung der Kapitalbesteuerung.Zwar hätte eine solche Angleichung den Vorteil einer effizienteren Steuer- und Kapitalstruktur in Europa.Viel größere Vorteile aus einer Harmonisierung würden aber Länder außerhalb der EU ziehen.Die Angleichung in Europa würde nämlich im Schnitt zu einer Erhöhung führen; der Rest der Welt könnte dann seine Steuern ebenfalls anheben - wenn auch in geringerem Ausmaß- und trotzdem noch Steuerbasis aus der EU abziehen.Außerdem würde der Standortwettbewerb in der EU mit anderen Mitteln, etwa über Infrastrukturinvestitionen, ausgetragen - ob das sinnvoll sei, müsse man bezweifeln.Von der immer wieder diskutierten Idee einer eigenen Steuerquelle für die EU hält Konrad wenig: "Solange die Aufgabenteilung zwischen der EU und den Staaten das Subsidiaritätsprinzip so auf den Kopf stellt, wäre das verhängnisvoll." Aufgaben, die sinnvollerweise von den Einzelstaaten übernommen werden müßten, etwa die Agrar- oder Strukturpolitik, erledige Brüssel.EU-Aufgaben hingegen wie die Außen- und Sicherheitspolitik blieben "nationale Sache".Durch diese abwegige Regelung sei nicht gewährleistet, daß Nutznießer und Kostenträger einer Maßnahme übereinstimmten."Alle EU-Bürger bezahlen die Regionalförderung in Galizien."

Auch mit den Sozialversicherungen hat sich der Berliner Ökonom beschäftigt.Mit Argwohn sieht er die Tendenz, (Schein)Selbständige und geringfügig Beschäftigte in die Rentenversicherung "einzugemeinden".Die Bezieher kleiner Einkommen hätten in der Rentenversicherung "schon immer gut verdient", weil sie im Verhältnis zu ihren Beiträgen mehr Rente herausgeholt hätten als Besserverdiener.Wenn man nun auch den 630-DM-Beschäftigten die Möglichkeit gebe, Rentenansprüche aufzubauen, so schaffe man zwar zunächst eine Entlastung, aber langfristig "eine riesige Bürde".

Konrads Rezepte gehen in eine ganz andere Richtung: Zusätzliche Beitragszahler sollte Deutschland durch eine an ökonomischen Kriterien ausgerichtete Einwanderungspolitik erreichen.Die Menschen müßten später in Rente gehen, die Ansprüche müßten nach und nach auf ein Grundrentenniveau heruntergefahren werden, das aber so hoch liegen müßte, daß die Rentner nicht in die Sozialhilfe fallen.Wer einen höheren Standard will, müßte dafür privat vorsorgen.Außerdem sollte der Staat die gesamten Renten besteuern - nicht nur den Ertragsanteil wie heute - und die Einnahmen der Alterssicherung zugute kommen lassen.Das sei gerecht, schließlich habe der Arbeitnehmer seine Beiträge nur teilweise versteuert, könne aber im Alter zusammen mit seiner Frau theoretisch bis zu 90 000DM Rente steuerfrei beziehen.

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