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Wirtschaft: Die Spendenprofis

Die großen Hilfsorganisationen sammeln und verteilen Milliarden – aber kommt die Hilfe wirklich an?

Kaum kamen die ersten Nachrichten von der Flutwelle, warfen die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ihre Medienmaschine an. Denn sie sind diejenigen, die den Großteil der Gelder in den reichen Ländern einsammeln und dann vor Ort ausgeben. Auch jetzt erscheinen ihre Kontonummern wieder auf den Fernsehbildschirmen, zudem kassieren sie Gelder von den nationalen Regierungen. Rotes Kreuz, Oxfam, World Vision, aber auch die kirchlichen Organisationen wie etwa Misereor, sie gehören zu den ganz großen Experten in der humanitären Hilfe. „Jetzt wird wieder deutlich, dass die staatlichen Institutionen eine solche Katastrophe ohne die NGOs gar nicht bewältigen können“, sagt Peter Wahl, Programmleiter und NGO-Experte bei Weed. Weed ist selbst eine NGO, die sich für die Interessen der Entwicklungsländer einsetzt.

Das Auswärtige Amt und auch die Europäische Union verteilen seit Jahren zwei Drittel ihrer Gelder für die humanitäre Hilfe an nichtstaatliche Partner. Weltweit ist die Anzahl der international tätigen NGOs in den 90er-Jahren von 6000 auf über 26 000 angestiegen. Der Begriff „NGO“ (das steht für non-governmental organisation) steht für gemeinnützige Organisationen, die unabhängig von Staaten handeln. Vor allem auf der internationalen Bühne ist ihre Rolle in den letzten 15 Jahren stetig gewachsen. Die sinkenden Kommunikationskosten und die Entwicklung des Internets haben es ihnen möglich gemacht, vor Ort direkt mit den Bürgern zusammenzuarbeiten.

Experten und Geldgeber sind voll des Lobes. „Die NGOs sind viel flexibler und spezialisierter als staatliche Partner“, sagt Karl Wolfgang Menck, Entwicklungspolitik-Experte am Hamburgischen Weltwirtschafts-Archiv (HWWA). „Die NGOs sind am besten dafür geeignet, das Geld der Steuerzahler auch effizient auszugeben“, bestätigt ein Sprecher des EU-Amtes für humanitäre Hilfe (Echo). Die Behörde hat den NGOs seit 1992 insgesamt 4,5 Milliarden Euro aus dem EU-Budget zugeteilt. „Die NGOSs liefern die schnelle und unbürokratische Hilfe, die den staatlichen Organisationen fehlt, und sie haben Kontakte zu den betroffenen Menschen vor Ort“, begründet das Auswärtige Amt seine Präferenz für NGOs. Auch von den 500 Millionen Euro Wiederaufbauhilfe werde ein Großteil an NGOs fließen. Dazu komme, dass die Mitarbeiter meist „hochmotiviert“ seien, sagt Weed-Experte Peter Wahl. Zudem seien die staatlichen Behörden in den Entwicklungsländern meist korrupt, bemängelt Peter Eigen von Transparency International (siehe Interview).

Trotzdem: Es gibt auch schwarze Schafe unter den NGOs, und je größer die Organisationen werden, desto größer ist auch das Risiko, dass Spendengelder verschwendet werden. „Die NGOs entwickeln irgendwann auch eine Eigendynamik, sie wollen ihre Arbeitsplätze erhalten“, sagt HWWA-Mann Menck.

In Deutschland kann man sich bei der Auswahl einer NGO am Spendensiegel orientieren. Das ist eine Art TÜV-Plakette für Hilfsorganisationen. Rund 3000 der Spendenorganisationen arbeiten in Deutschland überregional, die Arbeit von 2000 dieser Organisationen ist beim DZI (Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen) dokumentiert, 187 von ihnen haben das Spendensiegel des DZI. Das Siegel ist freiwillig. Kriterien sind eine wahre und sachliche Werbung, eine nachprüfbare und sparsame Verwendung der Spendengelder sowie eine deutliche, nachvollziehbare Rechnungslegung. Die Obergrenze für den Verwaltungsaufwand, die das DZI für vertretbar hält, liegt bei 35 Prozent.

Ein akutes Problem ist die Koordination der NGOs vor Ort. „Die Vielfalt der Organisationen ist bedenklich“, sagt HWWA-Experte Menck. Das meint auch Peter Wahl von Weed. „Die scharfe Konkurrenz zwischen den Organisationen kann auch dazu führen, dass sich alle auf das medienwirksamste Projekt stürzen und andere vernachlässigt werden“. Derzeit wird die Koordination der Hilfe von der UN gewährleistet. Oxfam und andere Hilfsorganisationen kritisierten vergangene Woche bereits, dass in Südostasien manche Hilfsaktionen aus mangelnder Koordination gleich zweimal gemacht worden seien. Hinzu kommt, dass zwar viele Gelder eingesammelt werden, das Geld aber nicht im selben Tempo vor Ort investiert werden kann.

Auch die wachsende Abhängigkeit der NGOs von den Regierungen ist ein Problem. „Es gibt keine mittlere oder große Organisation, die sich nur aus Spendengeldern finanziert“, sagt DZI-Chef Burkhard Wilke. Die 187 DZI-zertifizierten Organisationen haben 2002 rund 17 Prozent ihrer Gesamteinnahmen von Regierungen erhalten. Für Menck ist die Flutkatastrophe aber eine neue Chance für die NGOs, noch mehr Glaubwürdigkeit zu gewinnen: „Sie können jetzt wieder zeigen, was sie wirklich können.“

Dagmar Rosenfeld, Flora Wisdorff

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