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Wirtschaft: Höchste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung

Trotz Reformen suchten 2004 mehr Menschen Arbeit als im Vorjahr/Experten befürchten, dass die Zahl noch weiter steigt

Berlin - Die Arbeitslosigkeit in Deutschland ist im Dezember 2004 auf Rekordhöhe gestiegen: Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) waren im Dezember 4,464 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet – 206900 mehr als im November. Das ist der höchste Stand seit 1997. Rechnet man die Arbeitslosen, die statistisch nicht mehr erfasst werden, weil sie sich in Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen befinden, dazu, hat die Arbeitslosigkeit sogar den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung erreicht.

Experten befürchten, dass die Arbeitslosigkeit in den ersten Monaten 2005 weiter steigen wird. Im Januar könnte die Zahl der Jobsuchenden die Fünf-Millionen-Marke erreichen, heißt es in einer Analyse der Hypo-Vereinsbank. Das hat vor allem statistische Gründe: In Folge der Hartz-IV-Reform werden seit diesem Jahr auch erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger in der Arbeitslosenstatistik erfasst. Holger Schäfer vom Insitut der Deutschen Wirtschaft Köln (IW) schätzt, dass allein dadurch die Arbeitslosenzahl um rund 300000 steigen wird. „Es ist durchaus wahrscheinlich, dass wir im Januar fünf Millionen Menschen haben, die ohne Arbeit sind“, sagte er dem Tagesspiegel.

Rund 27000 erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger tauchten bereits in der Dezember-Statistik auf, weil sie sich auf Anraten der Sozialämter arbeitslos gemeldet hätten, sagte BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Hauptgrund für die hohe Arbeitslosigkeit im Dezember sei allerdings die einsetzende Winterpause, so Weise. Doch auch saisonbereinigt – also unter herausrechnen von jahreszeitlich bedingten Schwankungen – ist die Zahl der Jobsuchenden gegenüber dem Vormonat gestiegen. „Die wirtschaftliche Belebung ist noch nicht kräftig genug, um den Arbeitsmarkt grundlegend zu verbessern“, sagte Weise.

Auch in Berlin hat sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert. Ende Dezember suchten 286813 Menschen einen Job, 4166 mehr als einen Monat zuvor. Berlins Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) mahnte eine bessere arbeitsmarktpolitische Förderung der Erwerbslosen an. Nachdem seit Jahresbeginn durch Hartz IV die Arbeitslosen mehr gefordert würden, müssten sie nun auch entsprechend unterstützt werden.

In Brandenburg erhöhte sich im Dezember die Zahl der als erwerbslos Gemeldeten um 11527 auf insgesamt 250032. Damit stieg die Arbeitslosenquote im Vergleich zum November um 0,9 Prozentpunkte auf 18,7 Prozent.

Insgesamt war 2004 trotz der konjunkturellen Erholung kein gutes Jahr für den deutschen Arbeitsmarkt: Im Jahresdurchschnitt waren 4,381 Millionen Menschen ohne Beschäftigung, 4300 mehr als 2003. Rechnet man noch die Teilnehmer in Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen hinzu, lag die durchschnittliche Arbeitslosigkeit sogar bei 4,474 Millionen – die höchste Jahresarbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. „Das zeigt, dass die bisherigen Arbeitsmarktreformen kaum Wirkung gehabt haben“, sagte IW-Arbeitsmarktexperte Schäfer dieser Zeitung. Von quantitativer Bedeutung seien lediglich die Ich-AGs und die Minijobs gewesen. Die deutliche Steigerung der Erwerbstätigenzahlen im vergangenen Jahr hätte es ohne die Ich-AGs sicherlich nicht gegeben, so Schäfer. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Zahl der Erwerbstätigen mit 38,44 Millionen im Jahresdurchschnitt um 0,3 Prozent höher als 2003.

Die Regierung wertet das als ersten Erfolg ihrer Reformen. Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) erwartet für dieses Jahr einen „allmählichen“ Rückgang der Arbeitslosigkeit. Auch IW-Experte Schäfer geht davon aus, dass sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt 2005 verbessern wird. „Angesichts der Konjunkturlage wird es spätestens im Sommer einen Beschäftigungsaufbau geben“, sagte Schäfer. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) glaubt nicht, dass es vor Ende 2006 eine deutliche Entspannung auf dem Arbeitsmarkt geben wird.

Dagmar Rosenfeld

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