zum Hauptinhalt
Grillen an einem Sommerabend im Clara-Zetkin-Park in Leipzig

© dpa/Sebastian Willnow

Angepasst an den Qualm der Barbecues: Wie der Mensch besser mit dem Feuer klarkam

Neandertaler und Denisovaner hatten sie noch nicht: die Genvariante, mit der der Mensch die Rauchschwaden der Feuerstellen besser wegstecken konnte. Der Homo sapiens dagegen kam schon besser mit dem Qualm zurecht.

Eine Kolumne von Sascha Karberg

Jetzt ziehen sie wieder durch die Gartenkolonien, die Rauchschwaden der Grills und Barbecues. Bis ins Büro verfolgt einen die rußschwangere Duftnote der verkohlten Würstchen des Nachbarn, die sich in Form feinster Kohlenstoffwölkchen vom Grillrost auf den Balkon verflüchtigen und im frisch gewaschenen Hemd niederschlagen.

Alles halb so wild. Forschende des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie haben herausgefunden, dass Menschen sich im Laufe der Evolution mit dem Rauch arrangiert haben. Offenbar hat sich ein Gen so verändert, dass Homo sapiens – sehr wahrscheinlich der Erfinder des Feuermachens – besser zurechtkam mit dem ständigen Qualm. Jedenfalls besser als Neandertaler und Denisova-Menschen.

Zu diesem Ergebnis kamen Nelly Helmbrecht aus der Arbeitsgruppe des Nobelpreisträgers Svante Pääbo und Kollegen, als sie das Gen „AHR“ untersuchten. Es enthält den Bauplan für den Aryl-Kohlenwasserstoff-Rezeptor, ein Protein, das (auch) auf Bestandteile im Rauch, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, reagiert, indem es eine Vielzahl von Genen aktiviert.

Das AHR-Protein von Neandertalern und Denisovanern unterscheidet sich nur an einer einzigen Stelle von der Variante von Homo sapiens. Um zu testen, was diese Mutation für Folgen hat, veränderten Helmbrecht und Kollegen das AHR-Gen menschlicher Zellen so, dass es der Neandertaler-Version entsprach.

Das führte dazu, dass die veränderten menschlichen Zellen plötzlich viel stärker auf die aromatischen Kohlenwasserstoffe reagierten. Zellen mit der AHR-Genvariante von Homo sapiens hingegen wurden erst bei einer dreifach höheren Kohlenwasserstoff-Dosis aktiviert.

Dies könne eine Anpassung an einen Lebensstil darstellen, der abhängig von der Verwendung des Feuers ist, schreiben die Forschenden im Fachblatt „PNAS“, denn „der Rauch vom Verbrennen von Holz ist eine reichhaltige Quelle für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe“.

Offenbar hatten Menschen mit dem weniger sensitiven, einem „gelassener“ mit Rauch umgehenden AHR-Gen bessere Überlebenschancen. Allerdings ist noch unklar, warum. Dafür spricht, dass auch Fische, die großen Mengen dieser Stoffe ausgesetzt sind, ein weniger sensibles AHR-Gen haben.

Genießen wir also die Röstaromen, schieben ungare Gedanken von gesundheitsschädlichen Bestandteilen im Rauch beiseite und hoffen darauf, dass uns die Evolution noch ein paar andere Genvarianten mitgegeben hat – für ein langes Leben im Grilldunst.

Was wir zum Leben mitbekommen und was wir weitergeben – jedes Wochenende Geschichten rund um Gene und mehr in der „Erbonkel“-Kolumne.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false