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Kupjansk im September 2022.

© AFP/Yasuyoshi Chiba

Ukraine-Invasion Tag 699: In Kupjansk wächst die Sorge vor einer erneuten russischen Besatzung

Schwere russische Luftangriffe auf die Ukraine. Die Nato bestellt Hunderttausende Granaten. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Die Situation an der Front in der Ukraine gilt bereits seit Monaten als festgefahren. Dennoch kann Moskau immer wieder Vorstöße vermelden. In den einst von Russland besetzten ukrainischen Gebieten im Nordosten des Landes wächst daher die Sorge vor einer neuen Besatzung, wie die „Washington Post“ nun schreibt (Quelle hier).

Reporter der Zeitung haben sich auf den Weg nach Kupjansk gemacht und dort mit Anwohnern über die aktuelle Lage gesprochen. Die Stadt war Anfang 2022 von Russland besetzt worden, sieben Monate später befreiten die ukrainischen Kräfte sie wieder. Aufgrund ihrer strategischen Bedeutung habe Moskau Kupjansk aber nie ganz aus den Augen verloren, heißt es in dem Bericht.

Vor allem die Zunahme an Artilleriebeschuss nährt die Sorgen der Einwohner. Es gebe keinen Tag, an dem die Gegend nicht getroffen worden sei, sagt ein Polizeibeamter, der anonym bleiben wollte.

In den vergangenen Monaten wurden zunehmend Einwohner der Stadt und aus Dörfern der Region zur Evakuierung aufgefordert, schreibt die Zeitung. „Es ist sehr beängstigend“, sagt etwa die Gynäkologin Diana Schapowalowa. „Wir haben alle unsere Sachen gepackt.“ Sie arbeitet in einer Klinik in der Kleinstadt Schewtschenkoje, ihre Patienten kommen auch aus Kupjansk.

Svitlana Perepadia, Leiterin der Klinik, sagt, sie habe „große Angst“, dass die Gegend wieder durch Russland besetzt werden könnte. Ihre Patienten aber würden oftmals erst dann fliehen, „wenn eine Granate im Haus oder Garten des Nachbarn landet“. So geht es auch einer 75-Jährigen namens Claudia. „Ich habe mehr Angst vor einer zweiten Besatzung als vor direktem Beschuss“, sagte sie der „Washington Post“ und fügte hinzu: „Wir haben nicht geglaubt, dass es so weit kommen könnte.“

Die Gynäkologin Schapowalowa fürchtet, bald nicht mehr weit genug von der Front entfernt zu sein. Schon einmal floh sie vor russischer Besatzung, kehrte dann aber in ihre Heimat zurück. „Wir glauben immer noch an die Armee“, sagt sie. „Aber blind daran zu glauben, reicht nicht aus, wenn wir das Pfeifen der Granaten und Explosionen hören.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Infolge schwerer russischer Luftangriffe mit Dutzenden Raketen sind in der Ukraine erneut mehrere Menschen getötet worden. Offiziellen Angaben kamen landesweit mindestens sieben Menschen ums Leben. Alleine aus der ostukrainischen Großstadt Charkiw wurden sechs Todesopfer und mehr als 50 Verletzte gemeldet. Eine Frau starb zudem in Pawlohrad im Gebiet Dnipropetrowsk. In der Hauptstadt Kiew wurden offiziellen Angaben zufolge mehr als 20 Leute verletzt.
  • Russland hat vor den Vereinten Nationen den Vorwurf zurückgewiesen, tausende ukrainische Kinder entführt und nach Russland deportiert zu haben. „Die Russische Föderation war nicht an der Deportation ukrainischer Staatsbürger in ihr Territorium beteiligt“, sagte der russische Vertreter vor dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf. Die Regierung in Kiew, die internationale Justiz und Menschenrechtsorganisationen werfen Russland vor, immer wieder ukrainische Kinder zu entführen und nach Russland zu bringen. Die ukrainischen Behörden schätzen, dass etwa 20.000 Kinder ins Nachbarland verschleppt wurden.
  • Litauen will deutsche Leopard-2-Panzer kaufen. „Unsere Absicht ist es, ein Panzerbataillon zu schaffen“, sagte der Verteidigungsminister des osteuropäischen Landes, Arvydas Anusauskas, zu Journalisten. Der Nato-Staat Litauen fühlt sich als Nachbar von Russland bedroht.
  • Der CSU-Vize und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, wirft der Bundesregierung fehlende Entschlossenheit und mangelndes Tempo bei der Unterstützung der Ukraine vor. „Die Entscheidungsverfahren dauern zu lange und die Entscheidungen sind dann auch noch begrenzt“, sagte Weber am Rande von politischen Gesprächen in Kiew der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel.
  • Die Nato bestellt für 1,1 Milliarden Euro Hunderttausende 155-Millimeter-Granaten, die teilweise auch für die Ukraine bestimmt sind. „Der Krieg in der Ukraine hat sich zu einer Schlacht um Munition entwickelt“, sagt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. Die Nato-Beschaffungsbehörde hat den Vertrag im Namen mehrerer Bündnispartner abgeschlossen, die die Granaten entweder an die Ukraine weitergeben oder zur Auffüllung eigener Bestände verwenden wollen.
  • Knapp zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gibt es in Estland nach Einschätzung von Justizminister Kalle Laanet keine einhellige Meinung in der Bevölkerung, was die Unterstützung für Kiew betrifft. Es gebe hierzu „zwei verschiedene Meinungen“, räumte Laanet nach einem Gespräch mit Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in der Hauptstadt Tallinn ein. Er sagte: „Ein Teil unserer Bevölkerung denkt, dass wir zu viel Hilfe leisten, aber natürlich gibt es auch einen anderen Teil, der sagt, dass es keinen anderen Weg gibt, um die estnische Souveränität zu bewahren.“
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat neue Waffenlieferungen aus Polen für sein Land im Abwehrkampf gegen Russland angekündigt. „Es wird ein neues Rüstungspaket aus Polen geben“, sagte er am Montagabend in seiner täglichen Videoansprache. Zudem sei beim Besuch des polnischen Premierministers Donald Tusk über die gemeinsame Produktion von Waffen gesprochen worden, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu stärken. Mehr zum Krieg in der Ukraine lesen Sie in unserem Newsblog.

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