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Rettungskräfte helfen der 88-Jährigen Liudmila Kalashnik (M) nach der Evakuierung aus Wowtschansk.

© dpa/AP/Evgeniy Maloletka

Ukraine-Invasion Tag 809: Wie die Menschen in Wowtschansk den russischen Vormarsch erleben

Ukraine tauscht Oberbefehlshaber in Region Charkiw aus, Russland meldet größeren ukrainischen Luftangriff. Der Nachrichtenüberblick am Abend.

Die russische Armee hatte am Freitag laut Kiew von Russland aus eine Bodenoffensive in der Region Charkiw gestartet. Und dort gerät die ukrainische Armee zunehmend in Bedrängnis. Der Generalstab des angegriffenen Landes musste am Montag „taktische Erfolge“ der russischen Truppen in der Region im Nordosten der Ukraine einräumen (mehr dazu in unseren Nachrichten des Tages). Wie die Menschen vor Ort die Situation einschätzen, das hat die BBC nun aufgeschrieben (Quelle hier). 

Die Reporter sprachen mit Menschen in der Grenzstadt Wowtschansk, in der es besonders heftige Kämpfe gibt. So zum Beispiel mit dem örtlichen Polizisten Oleksii. „Es ist einfacher, jetzt zu gehen, bevor man getötet oder verletzt wird“, sagte er. Seiner Schätzung nach feuert Russland jede Stunde etwa 50 bis 60 Granaten auf die Stadt ab, dazu kommen die Gleitbomben. Für Oleksii ist es jetzt genug, er verlässt die Stadt, will sogar das Land verlassen. Vor dem Haus, in dem er aufgewachsen ist, bekreuzigt er sich noch einmal und reist ab.

Andere können nicht loslassen, klammern sich an ihre letzten Besitztümer. Einer davon ist Serhii, dessen Haus von einer Gleitbombe zerstört wurde. Seine Frau wurde bei dem Angriff schwer verletzt. Er würde gern gehen, sagt er, aber er sorgt sich um seine drei Ziegen, die er nicht zu töten vermag. Die meisten, die zurückgeblieben sind, schreibt die BBC, seien arme und alte Menschen.

Vor Ort ist auch noch Denys Jaroslawskyi. Als Kommandeur einer ukrainischen Spezialaufklärungseinheit war er im Herbst 2022 bei einer ukrainischen Offensive in Charkiw dabei, bei der russische Truppen zurückgedrängt wurden. Nun scheint sich alles zu wiederholen. Jaroslawskyi fragt sich, wo die ukrainischen Verteidigungsanlagen eigentlich sind, die einen Vormarsch der Russen verhindern sollten. „Es gab keine erste Verteidigungslinie. Wir haben es gesehen. Die Russen sind einfach reingelaufen“, sagte er.

„Natürlich bin ich wütend“, sagte er der BBC. Als sie 2022 um das Gebiet gekämpft hätten, seien Tausende Menschen gestorben. „Und jetzt, weil jemand keine Befestigungen gebaut hat, verlieren wir wieder Menschen.“

Die wichtigsten Nachrichten des Tages:

  • Beim Vorstoß in der Region Charkiw hat Russland laut der ukrainischen Armee Erfolge erzielt. „Derzeit verzeichnet der Feind taktische Erfolge“, erklärte der ukrainische Generalstab in der Nacht auf Montag bei Facebook. Die Kämpfe in den Grenzdörfern der Region konzentrieren sich demnach nun auch auf Wowtschansk. Die russische Armee habe „bis zu fünf Bataillone“ in die Region verlegt. Mehr hier.
  • SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat Überlegungen eine scharfe Absage erteilt, russische Luftangriffe auf die Ukraine von Nato-Gebiet aus abzuwehren. „Den ukrainischen Luftraum durch einen Einsatz der Nato schützen zu wollen, bedeutet eine Abkehr vom Grundsatz, dass wir nicht aktiv in den Krieg eingreifen wollen“, sagt er dem Tagesspiegel. Mehr hier.
  • Ungeachtet von Regierungsdrohungen mit langen Haftstrafen sind in Georgien erneut Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen ein geplantes Gesetz zur „ausländischen Einflussnahme“ zu protestieren. Die Menschen versammelten sich am späten Sonntagabend vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis. Mehr hier.
  • Die Ukraine tauscht inmitten der russischen Offensive in der nordöstlichen Region Charkiw den Oberbefehlshaber für die Armee in dem Frontabschnitt aus. Die Ernennung von Brigadegeneral Mychajlo Drapatyj zum neuen Kommandeur in der Region sei bereits am Samstag beschlossen wordenerklärt das Militär gegenüber dem Nachrichtenportal RBC-Ukraine. Mehr im Newsblog.
  • Vizekanzler Robert Habeck hält eine stärkere militärische Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen Russland für notwendig. „Wir haben nicht genug getan“, sagte der Grünen-Politiker am Montag in Berlin in einer Rede an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik. 
  • Der britische Verteidigungsminister Grant Shapps macht den entlassenen russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu für Hunderttausende Tote und Verletzte im Ukraine-Krieg verantwortlich. Schoigu habe „massenhaftes Leid unter der Zivilbevölkerung zu verantworten“, schrieb Shapps bei X.
  • Ein früherer Mitarbeiter des russischen Online-Konzerns Yandex ist der Unterstützung der ukrainischen Armee beschuldigt und festgenommen worden. Er habe Geld auf das Konto einer in der Ukraine registrierten Stiftung überwiesen, um „gepanzerte Fahrzeuge, Munition, Ausrüstung und Medikamente für die ukrainischen Streitkräfte“ zu finanzieren, so der russische Geheimdienst FSB.
  • Der Digitalverband Bitkom warnt vor einer zunehmenden Zahl von Cyberangriffen aus China und Russland. „Wir haben im letzten Jahr ein Verdopplung der Angriffe aus Russland gemessen“, sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. 
  • Russland meldet einen größeren ukrainischen Luftangriff. Die Luftabwehr habe 16 Raketen und 31 Drohnen zerstört, die in der Nacht von der Ukraine auf russisches Territorium abgefeuert worden seien, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau auf dem Kurznachrichtendienst Telegram mit. 
  • Bei einem nach russischen Angaben ukrainischen Angriff mit Raketen aus Sowjetzeiten auf die Region Belgorod sind am Sonntag mindestens 15 Menschen getötet worden. Das russische Zivilschutzministerium spricht von 15 Toten, russische Nachrichtenagenturen von 20 Verletzten, darunter ein vermisstes Kind. 

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