zum Hauptinhalt
Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) will ein Verbot der AfD prüfen.

© dpa/Sebastian Kahnert

Update Exklusiv

Debatte nach Verfassungsschutz-Urteil aus NRW: Sachsens Justizministerin fordert Prüfung von AfD-Verbot

Die Grünenpolitikerin will eine Task Force für ein AfD-Verbotsverfahren. Justizminister Buschmann ist zurückhaltend. Die SPD erwartet ein schärferes Vorgehen des Verfassungsschutzes.

Die Debatte um ein Verbot der AfD nimmt an Fahrt auf. Am Montagmorgen entschied das Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen in Münster, dass der Verfassungsschutz die Partei als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf. Die AfD hatte gegen die Entscheidung der Kölner Behörde geklagt.

Sachsens Justizministerin Katja Meier fordert nun rasch weitere Schritte. Das Urteil stärke unsere wehrhafte Demokratie, sagte die Grünenpolitikerin dem Tagesspiegel. „Nun muss die Prüfung der Erfolgsaussichten eines Verbotsverfahrens konkret erfolgen.“

Meier sprach sich dafür aus, dass die Innenministerkonferenz – wie beim NPD-Verbotsverfahren – eine Task Force beauftragt, Material für einen möglichen Verbotsantrag zu sammeln.

Anschließend solle die Task Force in einem Gutachten die Erfolgsaussichten des Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht bewerten. „Unsere Demokratie ist zu kostbar, um nicht alle möglichen rechtsstaatlichen Instrumente zum Schutz unserer Verfassung tatsächlich zu nutzen“, betonte Meier.

Gerade im Osten bekommt man die Partei auf politischem Weg nicht mehr klein.

CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz 

Nordrhein-Westfalens Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) sprach sich für einen besseren Schutz des Verfassungsgerichts aus. „Der Staat muss jetzt alle Lücken in seiner Firewall schließen und seine Institutionen gegen eine Übernahme durch Verfassungsfeinde absichern, vor allem das Bundesverfassungsgericht“, sagte der Grünenpolitiker dem Tagesspiegel. Nordrhein-Westfalen werde dazu auf der Justizministerkonferenz mit anderen Ländern ganz konkrete Vorschläge machen.

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz kündigte an, im Bundestag einen Antrag für ein Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen. „Mein Wunsch ist es, dass wir den Verbotsantrag noch vor der parlamentarischen Sommerpause einbringen“, sagte er „Zeit Online“.

Die AfD sei „eine große Bedrohung, man muss sich keine Illusionen machen“, betonte Wanderwitz. „Gerade im Osten bekommt man die Partei auf politischem Weg nicht mehr klein.“

Um den Antrag in den Bundestag einzubringen, braucht Wanderwitz fünf Prozent aller Abgeordneten, insgesamt also 37 Stimmen. Zusagen habe er bereits aus den Reihen der Union, SPD, Grünen und Linken, sagte Wanderwitz „Zeit Online“. Nur bei der FDP sei es noch etwas schwierig.

Den Spitzen der Bundestagsfraktionen warf der CDU-Politiker eine zu große Zurückhaltung bei dem Thema vor. „Ich würde mir bei den Fraktionsführungen mehr Liebe für das Thema wünschen“, betonte er. Notfalls wolle er einen fraktionsunabhängigen Gruppenantrag in den Bundestag einbringen.

SPD sieht AfD als völkische Partei

In der SPD-Fraktion im Bundestag hält man einen harten Kurs gegen die AfD für nötig. „Die Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten, sei nicht nur angezeigt, sondern dringend notwendig“, erklärten die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin, Katja Mast, und der Fraktionsvize, Dirk Wiese, in einer gemeinsamen Stellungnahme.

Das habe das Oberverwaltungsgericht Münster mit seinem Urteil nun bestätigt. „Die AfD hat sich als Ganzes zu einer völkischen Partei radikalisiert“, sagten Mast und Wiese zur Begründung. Die Partei würdige Menschen systematisch herab, nehme rechtsextremistische Positionen ein und vertrete nach außen die Interessen von Peking und Moskau. „Jetzt gilt es, das Urteil sorgfältig auszuwerten und die richtigen Schlüsse zu ziehen“, so Mast und Wiese.

„Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die AfD bundesweit als gesichert rechtsextrem eingestuft ist, denn sie radikalisiert sich immer weiter“, sagte der SPD-Innenpolitiker Lars Castellucci dem Tagesspiegel. Die Partei stehe nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Sie sei für Demokratinnen und Demokraten unwählbar, sagte der geschäftsführende Vorsitzende des Innenausschusses.

Verfassungsschutz-Chef zurückhaltend

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang ließ am Montag nicht erkennen, ob seine Behörde die AfD nach dem Erfolg vor Gericht bald vom Verdachtsfall zur gesichert rechtsextremen Partei hochstuft. „Bei der Einstufung zum Verdachtsfall ist es gesetzlich geboten, dass wir in regelmäßigen Intervallen die Voraussetzungen für diese Einstufung erneut prüfen“, sagte Haldenwang in Köln. Die Prüfung sei ergebnisoffen, es könne auch darauf hinauslaufen, dass sich der Verdacht nicht bestätige.

„In letzter Konsequenz kann auch eine Hochstufung zum erwiesenen Beobachtungsobjekt erfolgen“, sagte der Verfassungsschutzpräsident. Sicherlich fließe die Urteilsbegründung des Münsteraner Gerichts in die neue Bewertung seiner Behörde mit ein. Wann mit diesem neuen Gutachten zu rechnen ist, wollte das Bundesamt auf Nachfrage des Tagesspiegels nicht beantworten.

Viel Skepsis zu möglichem Verbotsverfahren

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) warnte nach dem Münsteraner Urteil vor vorschnellen Rückschlüssen. „Die heutige Entscheidung ebnet aber nicht automatisch den Weg zu einem Verbotsverfahren der AfD. Ein solches sollte man nur anstrengen, wenn man sich sehr sicher sein kann, dass es auch erfolgreich wäre. Am wichtigsten und überzeugendsten bleibt es, wenn es uns als Demokraten gelingt, rechtspopulistische Parteien politisch zu bekämpfen und mit Argumenten zu entlarven“, sagte Buschmann der Funke-Mediengruppe.

Die Hürden für ein Verbotsverfahren seien „sehr hoch“, betonte CSU-Generalsekretär Martin Huber. Dies hätten Verbotsverfahren in der Vergangenheit gezeigt. „Entscheidend ist, dass politisch der AfD der Nährboden entzogen wird, dass insgesamt die Spaltung in der Gesellschaft überwunden wird“, sagte Huber.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zeigte sich in einer ersten Stellungnahme zufrieden über das Münsteraner Urteil, sagte allerdings zugleich: „Wir werden die rechtliche Bewertung weiter von der politischen Auseinandersetzung, die wir in Parlamenten und öffentlichen Debatten führen, klar trennen.“

Die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht attackierte statt der AfD lieber die Union. In den Reihen der AfD gebe es zwar „zweifellos Rechtsextremisten“, sagte sie. „Allerdings fallen uns unter dem Stichwort ‚verfassungsfeindlich‘ auch Politiker anderer Parteien ein.“ Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter wolle den „Krieg nach Russland tragen“ tragen. Das stehe in eindeutigem Widerspruch zum Friedensgebot unseres Grundgesetzes, sagte Wagenknecht dem Tagesspiegel. (mit AFP/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false